Brüssel

Die EU-Zukunftskonferenz und die Bürgerwäsche

Die Konferenz zur Zukunft der EU biegt auf die Zielgerade ein. Mehr als 100 Reformvorschläge liegen schon auf dem Tisch. In der Öffentlichkeit wird die Konferenz dennoch kaum wahrgenommen.

Die EU-Zukunftskonferenz und die Bürgerwäsche

In der letzten Zeit ist es ein wenig ruhiger geworden rund um die Konferenz zur Zukunft der EU – also jene einjährige Veranstaltungsreihe, in der die EU-Institutionen erstmals mit Hilfe einer richtigen Bürgerbeteiligung versuchen, einen Reformprozess auf den Weg zu bringen. Nein, man müsste korrekter eigentlich sagen: Es ist zuletzt in der Öffentlichkeit noch ruhiger als sonst rund um Zukunftskonferenz gewesen. Denn so richtig wahrgenommen wurde das ehrgeizige Vorzeigeprojekt eigentlich noch nie. In einer in dieser Woche veröffentlichten „Eurobarometer“-Umfrage des EU-Parlaments sagten nur traurige 10% der befragten EU-Bürger, dass sie in jüngster Zeit einmal etwas über die Konferenz in der Presse gelesen, im Internet oder Fernsehen gesehen oder im Radio gehört hätten und sie auch wüssten, worum es dabei gehe. Immerhin 23% behaupteten noch, sie hätten in letzter Zeit mal etwas zu dem Thema mitbekommen, hatten aber inhaltlich keine Ahnung.

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Besonders uninformiert zeigten sich übrigens die Franzosen – was nicht nur verwundert, da Straßburg als Veranstaltungsort eine wichtige Rolle spielt, sondern vor allem, weil Staatspräsident Emmanuel Macron auf Ebene der Mitgliedstaaten der eifrigste Verfechter der Zukunftskonferenz war. Macron setzte auch durch, dass der Abschlussbericht mit den konkreten Reformvorschlägen schon im Mai vorgelegt wird, weil er sich dadurch für die Endphase seines Wahlkampfes noch einmal Rückenwind versprach. Und jetzt das: Nur 4% der befragten Franzosen hatten in jüngster Zeit mal etwas von der Konferenz zur Zukunft der EU gehört (und wussten auch, worum es geht) – so wenig wie in keinem der anderen 26 Mitgliedstaaten. Selbst die Rumänen, denen EU-Angelegenheiten oft schnurzegal sind und von denen nur 43% sagen, dass die EU-Mitgliedschaft ihres Landes eine gute Sache sei, zeigen sich etwas informierter als die Franzosen. Den Rückenwind aus dieser Ecke kann Macron wohl vergessen.

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Das gepflegte Desinteresse bei Medienmachern und -nutzern ist eigentlich sehr schade, da die EU-Zukunftskonferenz so langsam auf die Zielgerade einbiegt. Die vier Bürgerforen, an denen jeweils 200 repräsentativ, aber zufällig ausgewählte Menschen aus ganz Europa teilgenommen und zu jeweils unterschiedlichen Schwerpunktthemen diskutiert haben, haben bereits weit über 100 Reformvorschläge für die EU ausgearbeitet. Am letzten Wochenende wurden diese Ideen bereits zum dritten Mal in großer Runde im Plenum der Konferenz beraten, zu dem unter anderem auch Abgeordnete des Europaparlaments sowie der 27 nationalen Parlamente gehören. Ein Abschlussplenum steht nun noch für Februar auf der Agenda.

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Beim jüngsten Plenum sprach auch die Europäische Ombudsfrau Emily O’Reilly, die sich beeindruckt zeigte von den vielen Ideen, die durch die Bürgerforen auf den Tisch gekommen sind. Diese seien „das Ergebnis ernsthafter und durchdachter Überlegungen“, sagte sie. Einige klare Forderungen hätten sich ja bereits herauskristallisiert: Gewünscht werde eine aktivere EU-Politik in den Bereichen Klima und Rechtsstaatlichkeit sowie eine transparentere Entscheidungsfindung. Die Bürgerbeauftragte fände es vernünftig, wenn jetzt viele dieser Vorschläge auch umgesetzt würden – auf EU-Ebene, aber insbesondere in den Mitgliedstaaten. O’Reilly warnte in diesem Zusammenhang mit einer ganz neuen Wortschöpfung: Ohne klare Maßnahmen zu diesen Ideen sei die Konferenz einfach als „Gestenpolitik“ anzusehen – „eine hohle Übung im Bereich der Bürgerwäsche“. Was O’Reilly wohl meinte: Nicht nur Geldwäsche im Finanzsektor oder ein Greenwashing in der Klimapolitik bedroht die EU, sondern auch ein „citizen washing“, bei dem eine Bürgerbeteiligung lediglich suggeriert wird. Laut der jüngsten „Eurobarometer“-Umfrage wird diese Gefahr bei den Bürgern durchaus auch gesehen: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten prognostizierte hier, dass sich durch die Konferenz in der EU nicht viel ändern wird.