KommentarKonsolidierung

Die Filiale ist tot, es lebe die Filiale

Bankfilialen machen sich rarer im Land. Ihre Zahl schwindet seit Jahren und Jahrzehnten, doch deshalb ist der Tod der Filiale noch keine ausgemachte Sache.

Die Filiale ist tot, es lebe die Filiale

Bankfilialen

Totgesagte leben länger

Von Tobias Fischer

Es ist ein Tod auf Raten, sagen die einen: Der Bankfiliale ist keine Zukunft vergönnt, in die Relikte einer von Knax-Heft und Weltspartag geprägten Ära verirrt sich ohnehin keiner mehr unter 35. Via Online- und Mobile Banking lassen sich Bankgeschäfte schließlich auf Tastendruck an jedem Ort zu jeder Zeit erledigen. Ganz convenient. Allein, um komplexe Beratungsbedürfnisse der Kundschaft zu erfüllen, zum Beispiel, wenn es um die Klassiker Baufinanzierung und Altersvorsorge geht, werden Filialen benötigt, sagen die anderen. Sie stellen auf den in einer alternden Gesellschaft zunehmenden Bedarf an Kommunikation von Mensch zu Mensch vor Ort ab. Auf Kundennähe, für die die Filiale steht, und auf ihre Rolle als Markenbotschafter.

Beide Positionen haben ihre Bewandtnis. Klar sein dürfte, dass der Filialabbau ein unaufhaltsamer Prozess ist, der seit Jahren und Jahrzehnten nur eine Richtung kennt: abwärts. Davon zeugt der am Freitag veröffentlichte Bankstellenbericht der Bundesbank. Demnach ist die Zahl der inländischen Zweigstellen 2022 um fast 6% auf knapp 20.500 geschrumpft.

Dennoch dürfte die Filiale überleben, wenn auch in stark dezimierter Zahl. Und die, die übrig bleiben, mögen künftig anders aussehen als gewohnt. Banken und Sparkassen tüfteln an entsprechenden Konzepten oder haben sie – zumeist in Großstädten – längst umgesetzt, die Filialstuben in Wohnzimmer verwandeln, in Wohlfühloasen und Freizeittempel. Die Filialen zu Treffpunkten mit Eventcharakter umfunktionieren, wo lokale Künstler, Musiker und Handwerker zu Ehren kommen, Vorträge und Tanzabende veranstaltet und ganz nebenbei auch Finanzdinge erledigt werden können.

Auch wenn manche angekündigte Filialschließung, gerade auf dem Land, das Zeug dazu hat, sich zum Politikum auszuwachsen und die Frage der Systemrelevanz zu stellen, so versteht es sich von selbst, dass Banken und Sparkassen in der Lage sein müssen, Filialen, die kaum einer aufsucht, aufgeben zu dürfen. Manches Institut treibt den Abbau voran mit Verweis auf die Gefahren, die von Geldautomatensprengungen ausgehen. Ob vorgeschützt oder nicht – mancherorts kommen ihnen neuerdings in dieser Hinsicht Bürger und Lokalpolitiker sogar entgegen, deren Interesse an Geldautomaten ob der Gefahr für Leib und Leben durch die explosiven Machenschaften deutlich erlahmt ist. Und noch etwas ist zu berücksichtigen: Finanzinstitute finden nicht selten nur noch mit Mühe Mitarbeiter, die sich dem Filialdienst stellen wollen. Auch dem Fachkräftemangel mag es geschuldet sein, wenn sie erst zeitweise, dann ganz geschlossen bleiben.

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