LeitartikelWeltwirtschaft

Die neue Sprunghaftigkeit

Donald Trump ist ein Ausdruck der generellen Unsicherheit, mit der deutsche Unternehmen konfrontiert sind.

Die neue Sprunghaftigkeit

Deutsche Wirtschaft

Die neue Sprunghaftigkeit

Donald Trump ist ein Ausdruck der generellen Unsicherheit, mit der Unternehmen konfrontiert sind.

Von Michael Flämig

Wie beurteilt die deutsche Wirtschaft den kommenden US-Präsidenten Donald Trump? Wer hiesige Spitzenmanager befragt, erhält gerne eine Gegenfrage: Meinen Sie persönlich oder beruflich?

Damit ist der Rahmen gesetzt: Als Bürger Deutschlands lehnen auch die meisten Dax-Vorstände den Präsidenten Trump ab. Sein charakterlicher Auftritt wird als abstoßend eingestuft, seine Art der Politikfindung als gefährlich. Wenn ein millionenschwerer Vorstand seufzend erklärt, er müsse nun wohl doch die Trump-Bibel „The Art of the Deal“ lesen, so folgt der Zusatz, er werde das Buch nicht kaufen, sondern in einer Bibliothek ausleihen. Keinen Dollar für Trump, lautet die Devise.

Begrenzter Durchblick

Dieser Ansatz lässt sich in der privaten Lebensführung durchhalten. Beruflich läuft das Spiel anders. Wer ein global agierendes Unternehmen führt, meint meist, darauf angewiesen zu sein, einen Kontakt zum Umfeld von Trump oder wenigstens zu den neuen Machtzentren der Republikanischen Partei aufbauen zu lassen. Dabei ist die Hoffnung, Einfluss nehmen zu können, kaum anzutreffen. Vielmehr geht es darum, ökonomische Entscheidungen früh abzuschätzen.

Weit gekommen ist die Elite Deutschlands dabei nicht. Spitzenleute mögen zwar ihre Erkenntnisse entschieden in eine eigene Meinung gießen. Es ergibt sich jedoch kein kohärentes Gesamtbild. Während der eine Manager überzeugt ist, es komme viel schlimmer, als man glaube, winken andere Manager ab: alles nur Verhandlungstaktik des Immobilienunternehmers. Außerdem seien wirtschaftliche Megatrends wie der klimagerechte Umbau so langfristig, hört man andernorts, dass auch ein US-Präsident derartige Entwicklungen höchstens leicht verzögern könne.

Natürlich registriert die Beletage der deutschen Wirtschaft, dass ihr Durchblick in Sachen Trump sehr begrenzt ist. Der US-Präsident wechselt Meinungen so wie sein Unterhemd. Diese Entscheidungen vorauszuahnen hilft oft nichts – denn morgen kann dies wieder wertlos sein. Das Einzige, was gewiss ist für jene Firmen, die in den USA stark präsent sind: Verärgern sollte man den Egomanen nicht. Insofern weisen Kommunikationsstrategen landauf, landab ihre Abteilungen an, selbst vorsichtige Abgrenzungen von Trump zu vermeiden.

Unsicherheit in neuer Dimension

Mit welcher Wucht die neue US-Spitze zuschlagen kann, zeigt Trump mit den Angriffen auf Panama und Dänemark. Sein aktueller Liebling Elon Musk wirbelt die Politikszene Großbritanniens durcheinander. Dies lehrt: Kein Blue Chip aus dem Dax sollte ins Zielradar der Social-Media-Haubitzen des ersten global agierenden Oligarchen oder des mächtigsten Präsidenten der Welt geraten.

Letztlich ist die Fokussierung auf Trump aber falsch. Das Phänomen illustriert etwas, das über den Politiker hinausreicht: Die Unsicherheit für Entscheider in der Weltwirtschaft wächst in eine neue Dimension. Früher waren Firmen-Strategen stolz darauf, einen „Plan B“ in der Tasche zu haben. Später teilten sie ihre Welt in drei Szenarien der Klasse Worst, Best oder Base. Heute reichen die Buchstaben des Alphabets nicht mehr aus, um mögliche Entwicklungen zu strukturieren.

Ständige Sprunghaftigkeit

Dies hat nichts primär mit Trump zu tun. Die Sprunghaftigkeit, die er repräsentiert, gibt es an jeder Straßenecke: hier ein neuer Krieg, dort ein Staatsstreich, andernorts eine radikal veränderte Gesetzeslage oder ein eingeschnappter Wald-und-Wiesen-Autokrat oder ein Verbraucherschutzaktivist oder oder oder. Verlässlichkeit war vorgestern, nun ist auch die Planbarkeit von gestern dahin. Eine Ordnung der Welt zerbricht.

Dies hat unangenehme Folgen für die Zentralen von Multis. Natürlich können weiterhin großartige Strategien erdacht werden. Aber sie müssen flexibler auf immer wieder neue Situationen angepasst werden. Damit sind die Stäbe am Firmensitz überfordert, weil sie Veränderungen nicht schnell genug erfassen. Natürlich darf es keinen Wildwuchs geben. Aber Konzerne müssen überlegen, wie sie global neue Diagnose- und Reaktionsmöglichkeiten der Beschäftigten ermöglichen.

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