LeitartikelAutomobilindustrie

Die Neuordnung der Autowelt

Die deutschen Autobauer hinken der Entwicklung der Elektromobilität hinterher. Ausländische Herausforderer machen mehr Tempo.

Die Neuordnung der Autowelt

IAA Mobility

Die Neuordnung der Autowelt

Von Stefan Kroneck

Die deutschen Autobauer hinken der Entwicklung der Elektromobilität hinterher. Ausländische Herausforderer machen mehr Tempo.

Messen sind ein Gradmesser für die Wirtschaft. Das gilt umso mehr für die IAA Mobility 2023, die am 4. September ihre Pforten für das Fachpublikum öffnet. Wie üblich sind die Aussteller darum bemüht, sich von ihrer Schokoladenseite zu präsentieren. Denn auch die IAA Mobility in München, die zweite ihrer Art nach dem Auftaktjahr 2021 in der bayerischen Landeshauptstadt, ist wie ihr Vorgängerformat in Frankfurt am Main im Kern weiterhin eine Leistungsshow der Teilnehmer. Letztere buhlen um die Aufmerksamkeit der Besucher, wenngleich sich das Rahmenprogramm dem Zeitgeist gemäß gewandelt hat.  

Die diesjährige IAA ist stark geprägt von dem radikalen Umbruch in der weltweiten Autoindustrie. Elektromobilität und autonomes Fahren sind die Schlagwörter, die den Wandel der Technik angesichts der Erderwärmung prägen. Der Klimawandel beschleunigt die Transformation der gesamten Autobranche. Aufgrund des Schadstoffausstoßes sind Fahrzeuge mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren ein Auslaufmodell vor allem in den etablierten Märkten der westlichen Industriestaaten und in China. Dort entscheidet sich, wer im Wettstreit um die Zukunftstechnologien in der Branche die Oberhand gewinnt. Wer über die höchste Innovationskraft und ein ausreichendes finanzielles Polster verfügt, hat gute Chancen, als Gewinner aus dem harten Verdrängungswettbewerb hervorzugehen. Die Branche befindet sich mitten in einem Prozess der Neuordnung.

Welche Dimension der Konkurrenzkampf angenommen hat, zeigt sich auch symbolisch auf der weltgrößten Automesse. Für Aufsehen sorgte die Nachricht, dass Tesla und BYD ebenfalls präsent sein werden. Der amerikanische Hersteller von E-Autos mit seinem exzentrischen CEO Elon Musk gilt nicht als großer Befürworter von Branchentreffen dieser Art. Der größte chinesische E-Autobauer stellt auf der IAA Mobility erstmals aus. Beide Adressen haben sich zu ernst zu nehmenden Wettbewerbern für die deutschen Autokonzerne entwickelt. Tesla aus eigener Kraft, BYD mit massiven Subventionen von Peking. In der öffentlichen Wahrnehmung gehört das Duo zu den Treibern des technologischen Fortschritts. Der Expansionsdrang von Tesla kennt keine Grenzen. BYD schickt sich an, den westeuropäischen Markt aufzurollen.

Zwar haben BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen die Zeichen der Zeit längst erkannt und handeln. Trotz erhöhtem Tempo hinken sie aber den aufstrebenden Herausforderern hinterher. Im ersten Halbjahr hat das Trio die Zahl der ausgelieferten vollelektrischen Pkw (BEVs) deutlich gesteigert, jedoch ist deren Anteil am gesamten Absatz noch sehr gering. Bei BMW sind es 13%, bei Mercedes-Benz 11% und in der VW-Gruppe 7%. Von Januar bis Juni lieferten sie zusammen knapp 0,6 Millionen BEVs aus. Zum Vergleich: BYD brachte es im gleichen Zeitraum weltweit auf 1,3 Millionen Pkw, davon jeweils zur Hälfte BEVs und Plug-in-Hybride. Tesla kam auf knapp 0,9 Millionen.

Im Rennen um Marktanteile bei modernen Antrieben haben die Chinesen und die Kalifornier die Nase vorn. Das gelte auch für die Führerschaft in der Batterietechnologie, wie Experte Ferdinand Dudenhöffer meint. Die Konzerne in München, Stuttgart und Wolfsburg stecken mitten in einem Aufholprozess. In China verlor vor allem VW zuletzt an Boden. In deren größtem Einzelmarkt bekommt das Trio zunehmend Gegenwind von heimischen Herstellern, die ihnen Marktanteile abjagen. Das führt zu Preisdruck und es dämpft die Margen.

Den deutschen Premiumherstellern BMW und Mercedes-Benz ist es bislang gut gelungen, den Umbau zur Elektromobilität mit dem Cashflow aus dem Verkauf teurer Modelle mit Verbrennungsmotoren zu finanzieren. Aufgrund der aufwendigen Transformation setzen sie zunehmend auf Luxuswagen. Dadurch vernachlässigen sie aber den Bau preiswerter Einstiegsmodelle für jüngere Neukunden. So öffnen sie ein Einfallstor in ihrem heimischen Markt für Newcomer wie BYD, die auf das Segment der Kompaktklasse abzielen. Für BMW & Co. brechen ungemütliche Zeiten an.