Die Privilegien des spanischen Fußballs
Notiert in Madrid
Privilegierter Fußball
Von Thilo Schäfer
In Spanien herrscht weiterhin Erstaunen über die großen internationalen Wellen, die der „Fall Rubiales“ geschlagen hat. Man sorgt sich um die Auswirkungen auf das Ansehen des Landes, auch mit Blick auf die Bewerbung um die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft der Herren 2030. Der vom Weltverband FIFA suspendierte spanische Verbandschef Luis Rubiales wehrt sich nach wie vor gegen die Anschuldigung, bei der Siegerehrung der Frauen-WM in Sidney die Spielerinn Jennifer Hermoso gegen deren Willen auf den Mund geküsst zu haben. Doch Rubiales, der schon häufiger mit üblem Macho-Gehabe und fragwürdigen Geschäftsgebaren aufgefallen ist, steht mittlerweile ziemlich allein da, abgesehen von seiner Mutter, die aus Protest in einer Kirche einen Hungerstreik begonnen hatte. Geht es nach dem Willen der geschäftsführenden Linksregierung soll der Präsident des Königlichen Fußballverbandes RFEF über das Sportgericht TAD in den nächsten Tagen abgesetzt werden.
Abgesehen von der heftigen öffentlichen Debatte um Machtmissbrauch und Frauenrechte hat der Skandal einmal mehr das Zusammenspiel des Fußballs mit der Politik ins Rampenlicht gebracht, also eine im Grunde rein privatwirtschaftliche Veranstaltung, die jedoch eine bedeutende gesellschaftliche Funktion einnimmt und von öffentlichen Interessen geprägt ist. Da stehen die 47 Mill. Euro zu Buche, welche die RFEF seit 2019 an öffentlichen Zuwendungen erhalten hat. Ein Teil davon ist für die Förderung des Images Spaniens hinsichtlich der WM-Kandidatur für 2030 gedacht, welche zusammen mit den Nachbarn Portugal und Marokko ausgetragen werden soll. Die Regierung hat eingeräumt, dass das Verhalten von Rubiales in Australien der Bewerbung nicht förderlich sei. Doch Sportminister Miquel Iceta ist sich sicher, dass genügend Zeit bleibt, um den Schaden zu beheben, schließlich gilt Spanien bei Frauenrechten als eines der fortschrittlichsten Länder der Welt.
Ministerpräsident Pedro Sánchez und seine Sozialisten werden dieser Tage allerdings mit dem Vorwurf konfrontiert, bei Rubiales lange beiseite geschaut zu haben. Denn die vielen umstrittenen Machenschaften des Verbandsbosses, die jetzt in den Medien wieder aufbereitet werden, sind beileibe keine Neuigkeit. Das gilt besonders für die höchst fragwürdige Vergabe des spanischen Superpokals an Saudi-Arabien, der seit drei Jahren in der Wüstendiktatur ausgetragen wird. Tonbandaufnahmen, die an Elconfidencial.com durchgesteckt wurden, verdeutlichten, wie Rubiales mit der Firma des ehemaligen Nationalspielers vom FC Barcelona, Gerard Piqué, den sommerlichen Wettbewerb an die Saudis verkaufte. Besonders brisant dabei ist, dass man den Gastgebern zusicherte, dass die beiden Großen, Real Madrid und FC Barcelona, jedes Jahr dabei wären, weshalb das Turnier zwischen Meister und Pokalsieger auf den Tabellenzweiten und den Pokalfinalisten ausgeweitet wurde. Die RFEF, die am Deal mit den Saudis kräftig verdient, ist für den Schiedsrichterbetrieb in Liga und Pokal verantwortlich. Der Skandal geisterte wochenlang durch die Medien, doch die Sánchez-Regierung sah keinen Anlass einzuschreiten.
Ironischerweise hatte Rubiales davor die Pläne der spanischen Profiliga LFP blockiert, ein Spiel der Primera División zwischen Girona und Barcelona in Miami auszutragen. „Das schadet den Werten des Sports“, erklärte Rubiales 2018. Die Konkurrenz zwischen der LFP und der RFEF war in den letzten Jahren auch der Machtkampf zwischen Rubiales und Liga-Boss Javier Tebas, die sich gegenseitig bespitzeln ließen.
Die Regierung will dem Eindruck entgegentreten, dass der Fußball eine Sonderrolle genießt. Diese Woche wurde bekannt, dass der FC Barcelona den Sitz von Barça Media, der Filiale für die Inhalte, nach Amsterdam verlegt, um ein Listing in New York anzustreben. Als der Baukonzern Ferrovial im Frühjahr in die Niederlande umzog, hagelte es von der Sánchez-Regierung Kritik. Die Pläne von Barça wurden bislang nicht kommentiert.