Zinswende in Zeitlupe
Bausparkassen
Spätestens, wenn die Verträge ohne Guthabenzinsen zugeteilt werden, dürften die Zinserträge sprudeln.
Von Thomas Spengler
Zinswende in Zeitlupe
Es begab sich zum Jahreswechsel 2021/2022, als das scheinbar endlos darbende Geschäft mit Bausparverträgen wieder ansprang. Die späte, aber umso heftigere Zinswende der Europäischen Zentralbank hatte das an sich langweilige Geschäft wieder wachgeküsst und Bausparverträgen zu einem nie da gewesenen Comeback verholfen. Die Kunden schlossen in einem Ausmaß wieder Verträge ab, dass das Neugeschäft regelrecht explodierte. Quer Beet wies die Branche Zuwachsraten beim neu abgeschlossenen Geschäft von mehr als 40% auf – ein Trend, der im Kern weiter anhält. Denn nach wie vor geht es den Kunden überwiegend darum, sich heute die Bauzinsen von morgen zu sichern, was bei den aktuellen Bauspartarifen mit Sollzinsen von 1,5 bis 2,5% möglich ist. Auch Altverträge werden inzwischen wieder häufiger abgerufen, weil deren Konditionen jetzt plötzlich günstiger sind als reine Baudarlehen, deren Realverzinsung im zehnjährigen Bereich sich bis heute auf ein Niveau von 4% vervierfacht hat. Bei gleicher Tilgung hat sich damit die Belastung aus einem Baudarlehen verdoppelt, was die Kunden zu den Bausparverträgen getrieben hat und weiter treibt.
Also alles happy in der Branche? Nicht ganz. Denn da ist etwa das Geschäft mit den reinen Baudarlehen, mit denen die Kassen während der Niedrigzinsphase direktes oder indirektes, an Primärbanken vermitteltes Geschäft machten. Bei dieser zweiten Säule hat sich aufgrund des allgemeinen Zinsanstiegs das Neugeschäft glatt halbiert. Allerdings ist es einigen Kassen auch gelungen, dass der Bestand dennoch eher wächst. Gleichzeitig zeigt diese Parallelität, wie sich die Zinsentwicklung der Tarife im Bausparkollektiv, also nicht bei Baudarlehen, von der allgemeinen Zinsentwicklung entkoppelt ist. Die niedrigen Bauzinsen der Kassen erhält der Kunde eben auch dann, wenn er erst in fünf, acht oder zehn Jahren bauen, kaufen, modernisieren, sanieren oder umschulden will – egal, wie sich bis dahin der Zinsmarkt präsentiert. Nicht von ungefähr bezeichnet man den Bausparvertrag ja auch gerne als das Termingeschäft des kleinen Mannes.
Dafür müssen die Bausparkassen ihre Mittel auf Abruf durch die Sparer oft lange bereithalten und bis dahin gegebenenfalls einen hohen Guthabenzins bezahlen. Dass Letzteres für die aktuellen Tarife nicht gilt, liegt vor allem am Fokus der Kunden, die in der gegenwärtigen Phase fast ausschließlich auf die Zinssicherung achten und weniger auf Erträge in der Ansparphase. Man wird sehen, wie lange die Kunden sich mit einem Guthabenzins von nahezu null zufriedengeben werden. Die Kassen verhalten sich bei dieser Frage jedenfalls still, weshalb seit der Zinswende noch kein Wettbewerber einen neuen Tarif mit höheren Guthabenzinsen lanciert hat. Zugegeben, ein neuer Tarif kann nicht kurzerhand angeboten werden, dafür sorgt schon allein die BaFin, die dazu ihr Plazet abgeben muss.
Aber spätestens dann, wenn Verträge mit Guthabenzinsen bei null zugeteilt werden, dürfte die Zinswende auch stärker in den Bilanzen der Institute ankommen und die Zinserträge dürften ordentlich sprudeln. Langsam, aber sicher geht schon heute die Zinsschere in der Branche wieder auf, wenn auch in Zeitlupe. Dauern wird es aber wohl bis in die 2030er Jahre hinein, bis Bausparverträge mit sehr niedrigen Darlehenszinsen zugeteilt werden. Prognosen zu der Frage, wie sich das „Rauswachsen“ dieser Verträge aus dem Bausparkollektiv dann ein weiteres Jahrzehnt später gestalten wird, will derzeit aus der Branche keiner wagen. Indessen kann sich die Branche recht sicher sein, dass sich auch das Gebäudeenergiegesetz als Treiber einer anhaltend hohen Nachfrage nach Bausparverträgen erweist, mit denen viele Menschen Vorsorge treffen und sich ein Stück Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten ins Haus holen wollen. Für diese Kunden mutiert der Bausparvertrag damit auch zum Energiesparvertrag. Parallel dazu wächst allerdings den Bausparkassen die Verunsicherung am Wohnungsmarkt als neues Risiko zu, die bereits für steigende Stornierungen von Bauprojekten geführt hat. Und weil Bausparverträge gerne als Eigenkapital bei der Wohnbaufinanzierung genutzt werden, dürfte diese Entwicklung auch an den Kassen nicht spurlos vorübergehen.