Notiert inFrankfurt

Die Third-Wave-Altstadt

Frankfurts rekonstruierte Altstadt ist ein Touristenmagnet. Doch statt convenience-optimierter Reisegruppenverpflegung prägt das Viertel eine junge, kreative Kultur- und Gastro-Szene. Das zieht auch die Einheimischen an.

Die Third-Wave-Altstadt

Notiert in Frankfurt

Die Third-Wave-Altstadt

Von Lutz Knappmann

Wer häufig verreist, der spürt schnell, wie groß der Gegensatz zwischen Quantität und Qualität sein kann. Wo sich besonders viele Touristen tummeln, ist es oft nicht allzu weit her mit Wohlfühlatmosphäre und Genuss – ganz besonders in der Gastronomie. Weshalb viele Reisende dazu übergegangen sind, für Frühstück, Kaffee oder Abendessen gezielt Lokale abseits klassischer Touristen-Routen anzusteuern. Orte, an denen auch die Einheimischen gerne verweilen.

So gesehen, begleiten den Bummel durch die neue Frankfurter Altstadt gewisse, sagen wir: Vorbehalte. Schließlich hat sich das Dom-Römer-Areal seit seiner Eröffnung vor ziemlich genau sechs Jahren zu einer der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt entwickelt.

Absolut einzigartig

Kein Wunder, ist das Ensemble aus originalgetreu rekonstruierten Fachwerkhäusern und zeitlos-modernen Neubauten doch absolut einzigartig. Selten haben Bauherrn ein städtebauliches Projekt dieser Dimension so liebevoll und detailverliebt umgesetzt wie hier. Von der grundlegenden Architektur über die Anordnung von Gebäuden, Wegen und Plätzen, bis hin zu den verwendeten Materialien und historischen Baumethoden. Insgesamt 35 neue Gebäude im Umfeld der Kunsthalle Schirn ersetzen seit 2018 das legendär hässliche technische Rathaus der Stadt. Sie bilden ein lebendiges Viertel, das jedes Jahr viele Hunderttausend Besucher anzieht.

Schön anzuschauen also, aber enttäuschend zum Verweilen? Ein Areal, analog etwa zu Venedigs aus gastronomischer Perspektive unter allen Umständen zu meidendem Markusplatz?

Kunststück gelungen

Ganz im Gegenteil: Städteplanern und Gastronomen ist in den neuen, alten Straßenzügen des Frankfurter Innenstadtquartiers ein Kunststück gelungen. Hinter den hübschen Fassaden und mitten im so vielfältigen Museumsviertel finden die Besucher kleine und bunte Läden, Galerien, Cafés und Restaurants, die von ähnlichem kreativem Geist geprägt sind, wie der Bau der Altstadt selbst. Mit den verrufenen Verpflegungsstellen für regenschirmgeleitete Flusskreuzfahrt-Gruppen hat das Angebot hier rein gar nichts gemein. Nur vereinzelt haben sich ein paar Systemgastronomie-Filialen ins Viertel verirrt.

Viele junge Gäste

Stattdessen: Eine Vielfalt moderner Küchen, nachhaltig und lokal produziert, die auffallend viele junge Gäste anzieht. Der Lifehack zeitgenössischer Third-Wave-Coffee-Fans, bei der Städtereise den Suchbegriff „Flat White“ zur Identifikation attraktiver, um nicht zu sagen: hipper, Cafés zu verwenden, führt geradewegs in die Altstadt und angrenzende Straßenzüge wie Fährgasse und Braubachstraße. Eine in der Main-Metropole ohnehin lebendige und gut vernetzte Szene junger, experimentierfreudiger Gastronomen und Kulturschaffenden hat hier eine Heimat gefunden, in der auch die Einheimischen immer wieder etwas Neues entdecken können. Wenn Frankfurt in diesen Tagen den sechsten Wiedergeburtstag seiner Altstadt feiert, hat die Stadt also wirklich etwas zu feiern.