LEITARTIKEL

Die Torwächter

Lange hat es gedauert, bis die US-Internetgiganten, deren seit Jahren dramatisch wachsende Marktmacht Unternehmen weltweit das Fürchten lehrt, endlich ins Visier der Kartellwächter in Europa geraten sind. So haben die deutschen und französischen...

Die Torwächter

Lange hat es gedauert, bis die US-Internetgiganten, deren seit Jahren dramatisch wachsende Marktmacht Unternehmen weltweit das Fürchten lehrt, endlich ins Visier der Kartellwächter in Europa geraten sind. So haben die deutschen und französischen Behörden Verfahren gegen Facebook eingeleitet, weil das soziale Netzwerk gegen Datenschutzbestimmungen verstoße und dadurch seine marktbeherrschende Stellung ausweite. Amazon und Apple stehen wegen Wettbewerbsverstößen im Hörbuchmarkt unter Verdacht. Die EU-Kommission knöpft sich Google vor und hat dabei gleich zwei Fronten eröffnet: Im angestammten Suchmaschinengeschäft soll der Konzern eigene Produkte systematisch bevorzugen. Mit dem mobilen Ökosystem Android verstoße Google durch Vorinstallation von Apps auf Smartphones und Tablets, die unzulässige Verknüpfung eigener Produkte und die Behinderung von Android-Modifikationen gegen Wettbewerbsvorschriften.Die Vorwürfe gegen den Internetriesen lesen sich verdächtig ähnlich wie einst die Kritik an Microsoft, die die Kommission in den vergangenen zehn Jahren wiederholt zum Anlass für hohe Strafen wegen der Vorinstallation eigener Anwendungssoftware (Media Player) und der Diskriminierung von Wettbewerbern nahm. Allein diese Analogie zu einem lange zurückliegenden Verfahren zeigt, dass die Behörden in ihren Bewertungs- und Handlungsoptionen mit einem Instrumentarium ausgerüstet sind, das ebenso alt wie bewährt ist, aber im Hinblick auf die digitale Welt und insbesondere die von großen US-Technologiekonzernen etablierten Geschäftsmodelle nicht wirkungsvoll.Der Erfolg und die Marktmacht von Unternehmen wie Google, Facebook und Apple beruhen nicht einfach auf einer Produktinnovation, die zum natürlichen Monopol tendiert, das dann und wann missbraucht wird – wie im Fall Microsoft mit Windows geurteilt wurde. Vielmehr haben sich diese Konzerne als globale Plattformbetreiber etabliert, die für Millionen Kunden auf der Welt über bestimmte Geräte und – geschlossene – Ökosysteme wie die mobilen Betriebssysteme Android, iOS oder ein Netzwerk wie Facebook selbst das Tor zum Internet geworden sind. Als Torwächter kennen sie jeden, der eintritt. Und mit jedem neuen Schritt durch das Tor kennen sie den Nutzer besser. Aus den so generierten Datensammlungen lassen sich Nutzerprofile erstellen und darauf wiederum zahlreiche Produkte und Dienste aufsetzen. Somit dehnen die Unternehmen ihr Geschäft aus und gewinnen auch auf vor- und nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette an Dominanz. Google kann aufgrund ihres Datenschatzes weit besser zielgerichtete Werbung konzipieren und kontrolliert daher beispielsweise zwei Drittel des Online-Anzeigengeschäfts in Deutschland.Welcher Wert Daten- und Nutzerprofilen beigemessen wird, zeigt sich überdeutlich an milliardenschweren Start-ups wie einst Skype, dann Whatsapp und nun Snapchat und dergleichen. Facebook ließ sich den für Nutzer praktisch kostenlosen Messaging-Dienst Whatsapp rund 20 Mrd. Dollar kosten. Eine Transaktion, die die Wettbewerbsbehörden nichts anging, denn die Umsätze von Whatsapp allein waren zu marginal. Was Facebook tatsächlich gewinnt – an Kunden, Daten und daraus abgeleitet auch an zusätzlicher Marktmacht -, war schwerlich zu beurteilen.Indes sind die Verluste, die durch ebenjene Internetdienste entstehen, die kostenlos sind und deren sekundäre Umsatzwirkungen bei den Behörden außer Betracht bleiben, andernorts klarer zu erkennen. Die in Europa durchweg regulierten, weil kostenpflichtigen Telekommunikationsdienste wie etwa “sms” werden verdrängt und sorgen in der Branche für massive Umsatzverluste. Schon lange fordern die Telekomunternehmen von den Behörden in der Regulierung ein “level playing field” mit Internetfirmen, die ihre sogenannten OTT-Dienste (Over the Top) über die Netzwerke der Telkos anbieten, ohne für den Verkehr zu zahlen, dafür aber mit Verdrängungsangeboten gegen die Telekomdienste antreten.Gegenwärtig fehlt den Wettbewerbshütern dafür eine entscheidende Grundlage: Daten sind nicht als eigenständige Quelle von Wertgenerierung anerkannt. Daher verhindern fehlende entgeltliche Austauschbeziehungen die Einleitung von Wettbewerbsverfahren oder erschweren diese erheblich. Ohne eine Regulierung, die das Sammeln, Managen und Verwerten von Daten einbezieht, wird man in der Auseinandersetzung mit digitalen Powerhäusern wie Google und Co aber nicht viel erreichen.——–Von Heidi RohdeUS-Giganten wie Google, Apple, Amazon oder Facebook halten den Schlüssel zum Internet. Ihre Marktmacht ist für die Wettbewerbshüter schwer zu regulieren.——-