KommentarQuellensteuer

Die verflixte Einstimmigkeit in Europas Steuerpolitik

Einheitliche Schnellverfahren zur Erstattung von Steuern auf Dividenden und Zinsen wären in der EU lohnenswert.

Die verflixte Einstimmigkeit in Europas Steuerpolitik

Quellensteuer

Die verflixte Einstimmigkeit

Von Stefan Reccius

Einheitliche Schnellverfahren zur Erstattung von Steuern auf Dividenden und Zinsen wären lohnenswert.

Geht es nach der EU-Kommission, sollen Anleger in Zukunft jährlich rund 5 Mrd. Euro an Steuern auf Dividenden und Zinsen sparen. Auf diese Summe beziffert die Brüsseler Behörde Einbußen durch eine zu hoch angesetzte Quellensteuer, wenn Anleger im europäischen Ausland in Aktien investieren. EU-weit einheitliche Schnellverfahren zur Erstattung sollen Abhilfe schaffen.

Dass es Handlungsbedarf gibt, zeigt eine Umfrage von Anlegerschützern. Demnach scheuen die meisten Anleger die Standardverfahren zur Erstattung zu viel gezahlter Steuern auf Dividenden, weil sie ihnen zu kompliziert sind. Sprachbarrieren, Behördenstempel und überhaupt der Wildwuchs an unterschiedlichen Verfahren – mehr als 450 (!) zählt die EU-Kommission – haben die meisten entnervt.

Von einer Kapitalmarktunion, die man in Brüssel und in der hiesigen Finanzindustrie beschwört (zumindest immer dann, wenn es opportun erscheint), kann bei solcher Fragmentierung keine Rede sein. Auf Investoren von außerhalb der Europäischen Union, deren Kapital man so gerne in den Binnenmarkt zöge, muss das erst recht abschreckend wirken. Insofern ist es lobens- und lohnenswert, dass die EU-Kommission die Initiative ergreift.

Allerdings klingt das Vorhaben, die nationalen Steuersysteme im Sinne des Anlegers zu harmonisieren, womöglich zu schön, um wahr zu sein. Denn Steuerpolitik ist Sache der nationalen Regierungen. Die sonst so mächtige EU-Kommission hat hier nur begrenzten Einfluss. Es gilt das Prinzip Einstimmigkeit: Wenn sich nur eine einzige der 27 Regierungen querstellt, etwa weil Steuereinnahmen auf dem Spiel stehen, ist jegliche Reform blockiert.

Hier liegt der entscheidende Unterschied zu jüngsten Fortschritten in anderen Bereichen steuerlicher Zusammenarbeit: Es gibt nicht wenige Länder, die etwas zu verlieren haben – Steuereinnahmen. Bei der Kooperation in Sachen Besteuerung von Transaktionen mit Krypto-Vermögenswerten verhält es sich anders. Hier winkt eine neue Quelle für Steuereinnahmen. Prompt einigten sich die EU-Staaten im Mai auf eine gemeinsame Linie.

Eine Reform der Quellensteuer bedeutet dagegen in Summe zwangsläufig geringere Einnahmen. Denn es ist ja gerade das Ziel, Anlegern zu viel gezahlte Steuern zurückzugeben. Die EU-Kommission versucht, die Hauptstädte mit dem Verweis auf Steuerskandale namens Cum-ex und Cum-cum zu ködern. Die zu verhindern, so die subtile Botschaft, ist die Mühen wert. Hoffentlich beißen alle EU-Staaten an, bevor die Mission Quellensteuer versandet.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.