Die Zukunft lässt sich nicht einpreisen
Hypoport
Verflixter Blick in die Zukunft
Von Jan Schrader
Schon wieder eine "Prognoseanpassung" von Hypoport. Der Umsatz des Finanzplattformbetreibers sinkt im laufenden Jahr nicht um bis zu 10%, wie im März orakelt, nicht um bis zu 15%, wie im Juli ad hoc geweissagt, sondern um bis zu 25%, wie die Gesellschaft nun einräumt. Und der Börsenkurs? Er steigt! Bis Handelsschluss kletterte die Aktie um 5,0% auf 111,20 Euro. Zu Handelsbeginn am Freitag brach der Kurs zwar ein, erholte sich aber rasch wieder. Rückblickend war das nicht mehr als ein Schluckauf.
Was für ein Kontrast zur zurückliegenden Woche! Der Chipausrüster Süss Microtec sackte am Donnerstag an der Börse nach einer Umsatzwarnung bis Handelsschluss um17,7% ab, Siemens Energy rief nach Staatsgarantien und stürzte am selben Tag um 35,5% in die Tiefe. Der französische Zahlungsdienstleister Worldline warnte vor Konsumflaute und geringem Umsatzwachstum und bezahlte am Mittwoch mit einem Kursverlust von sage und schreibe 59,2%. So starke Kursrückgänge sind selten. Die Börsen sind immer für eine Überraschung gut.
Hypoport steht im Kontrast dazu. Schlechte Nachrichten sind an Aktienmärkten nicht immer schlecht. Was Investoren erwartet haben, ist längst im Preis enthalten. Das Unternehmen hatte bereits Ende Juli die Prognose für Umsatz und Gewinn gesenkt und damit einen Tagesverlust von damals 14,3% ausgelöst, ehe es in den folgenden Wochen weiter bergab ging. Vor einer Woche gab das Unternehmen nur moderat gestiegene Umsätze im dritten Quartal bekannt und löste ein erneutes Minus von 3,4% aus.
Insgesamt ging es, gerechnet seit dem höchsten Schlusskurs im Juli, um etwa 43% bergab. Schlechte Nachrichten zum Umsatz waren für Aktionäre offenbar längst absehbar. An der mauen Gewinnprognose änderte Hypoport jetzt nicht mehr viel – auch das schockte niemanden mehr.
Börsen sind also zuweilen gut darin, das aktuelle Geschehen rasch zu bewerten. Auch eine Ad-hoc-Meldung muss da keine Überraschung mehr sein. Der Blick in die Zukunft ist aber selbst Kennern der Materie verstellt. Die Kursentwicklung von Hypoport spricht eine klare Sprache: Die Wohnkreditflaute trifft die Kreditwirtschaft stärker als zu Jahresbeginn erwartet. Selbst genaue Kenntnis und Erfahrung in Immobilien- und Kreditmärkten beseitigt die Unsicherheit nicht. So lief der Kurs der Marktentwicklung hinterher. Die Ad-hoc-Mitteilung fasst nur noch das zusammen, was ohnehin schon alle gesehen haben.
So sieht die Analyse rückblickend aus. Doch die nächste Überraschung kommt bestimmt. Zumindest diese Prognose ist zuverlässig.