Frankfurt

Die zwiespältige Rück­kehr der Volks­feste

Erst die Pandemie, nun der Ukraine-Krieg: Es sind merkwürdige Zeiten auch für Schausteller – nicht nur auf der Frankfurter Dippemess.

Die zwiespältige Rück­kehr der Volks­feste

Die Frankfurter vergnügen sich auf der Dippemess, die Mainzer tummeln sich beim Rheinfrühling, und die Münchner rechnen fest mit einer Rückkehr auf die Wiesn: Die Volksfeste sind zurück! 2020 ging gar nix. Bei der Herbstausgabe 2021 galten auf dem Frankfurter Festplatz Einbahnstraßenregelung, Abstandsgebot und Maskenpflicht – nicht gerade Synonyme für Ausgelassenheit. Und nun: Alles wie früher. Pandemie – war da was?

Die Menschen lechzen nach Abwechslung und Unterhaltung, das ist unverkennbar und allzu verständlich. Mit der Unbeschwertheit ist das aber auch diesmal so eine Sache. Wie viel Normalität ist möglich, wie viel Heiterkeit erlaubt, während in der Ukraine immer neue Grausamkeiten ans Licht kommen? Das ist die Frage, an der Wurstverkäuferinnen und Fahrgastbetreiber nicht vorbeikommen.

Auch der Karussellbetreiber Thomas Roie, seines Zeichens Vorsitzender des hiesigen Schaustellerverbandes, steckt im Dilemma. Volksfest und Krieg – passt das zusammen? Muss sogar sein, soll er gesagt haben. Die Dippemess solle ablenken und auf andere Gedanken bringen. Augenscheinlich spricht Roie den Frankfurtern damit aus der Seele, wie die Besucherströme zeigen. Doch wenn die Dame am Grillstand frohlockt, sie sei „zurück im Leben“, klingt das doch auch eine Spur makaber. Andererseits: Wer mag ihr die Freude nach zwei Jahren Existenzangst verdenken?

Es sind merkwürdige Zeiten und die Schausteller in einer verzwickten Lage. Das wird auch wenige Dutzend Kilometer südwestlich deutlich, wo der Main in den Rhein mündet. Die Mainzer Verkehrsbetriebe haben Busse und Bahnen gleich nach Kriegsbeginn mit ukrainischen Fähnchen beflaggt. An den Fahrgeschäften am Rheinufer sucht man solche kleinen Zeichen der Solidarität hingegen vergeblich. Aber soll man den Schaustellern das zum Vorwurf machen? Blau-gelbe Flaggen im Autoscooter – das würde dann doch eher schräg wirken als solidarisch.

Kaum hat das Kirmesvergnügen wieder begonnen, haben die Beteiligten ohnehin ihre eigenen Probleme. In Mainz erfasste eine Gondel einen jungen Mann und schleuderte ihn meterweit durch die Luft. Der Mitarbeiter des Fahrgeschäfts überlebte schwer verletzt. Die Gaudi am Rhein bremste der „tragische Arbeitsunfall“, wie es hieß, nur für einen Abend.

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In München will die Stadtverwaltung nächste Woche entscheiden, ob das Oktoberfest nach zweijähriger Corona-Pause im Herbst wieder stattfinden darf. Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner zeigte sich dieser Tage „zuversichtlicher denn je“, dass es am 17. September heißen wird: „Ozapft is“. Nürnberg und Augsburg hätten ja bereits gezeigt, dass Volksfeste wieder möglich seien. Ob der Ukraine-Krieg dann noch Thema ist – oder doch wieder die Pandemie? Wer weiß es schon. Sämtliche Corona-Auflagen für Volksfeste im Freistaat sind jedenfalls gefallen, und auch CSU-Chef Markus Söder gibt sich überzeugt, das Oktoberfest werde stattfinden. Ja mei, was soll da noch schiefgehen?