LEITARTIKEL

Digitale Welle

Aus der Sicht von Tui-Chef Fritz Joussen hat der Schiffbruch des Konkurrenten Thomas Cook die Seetauglichkeit des Tui-Tankers noch einmal eindrucksvoll unterstrichen. Denn der 178 Jahre alte britische Reiseriese war mit einer untragbaren...

Digitale Welle

Aus der Sicht von Tui-Chef Fritz Joussen hat der Schiffbruch des Konkurrenten Thomas Cook die Seetauglichkeit des Tui-Tankers noch einmal eindrucksvoll unterstrichen. Denn der 178 Jahre alte britische Reiseriese war mit einer untragbaren Schuldenladung auf Grund gelaufen, die allerdings von einer 2012 benötigten – teuren – Refinanzierung herrührte. Grund dafür war schon damals die Wachstums- und Ertragsschwäche des Veranstaltergeschäfts, das in den Folgejahren aufgrund von BrexitKrise und Überkapazitäten im Flugverkehr in immer schwierigeres Fahrwasser geriet. Dagegen pocht Tui auf ihre Stärke als integrierter Reisekonzern, dessen Kreuzfahrtflotte und Hoteldivision sich auch in stürmischen Zeiten als wetterfest erwiesen und die Schwäche im Veranstaltermarkt ausgeglichen hat.So konnte die Tui – auch dank einer eigenen Airline – vor Jahren beim Nachfrageeinbruch in den von islamistischem Terror bedrohten Tourismusregionen Ägypten und Türkei ihre Kunden relativ flexibel auf andere Destinationen im westlichen Mittelmeerraum oder die Kanaren umleiten. Die durch den zweifachen Absturz des Boeing-Jets 737 Max ausgelöste Krise schlug derweil auch in Hannover voll ins Kontor, jedoch immerhin “nur” in Gestalt eines Gewinnrückgangs, rote Zahlen schreibt die Tui deshalb nicht. Dennoch hat der Ausfall des Boeing-Jets dem Management einmal mehr auch die Schattenseiten einer eigenen Airline vor Augen geführt, zumal eine Wiederindienststellung der Maschine für den laufenden Turnus noch nicht in Sicht ist, ebenso wie eine Kompensationszahlung von Boeing bisher in den Sternen steht. Hinzu kommt, dass die Margen im Veranstaltergeschäft zwar in Großbritannien etwas von der Thomas-Cook-Pleite profitieren, auf dem wichtigen deutschen Heimatmarkt jedoch weiter unter Druck stehen. Denn an den Überkapazitäten im Airline-Bereich haben auch Pleiten bisher nichts geändert, weder die von Air Berlin noch die von Thomas Cook, deren deutsche Tochter Condor bisher mit Staatshilfe munter weiterfliegt.Die Tui hat daher den Ergebniseinbruch zum Anlass genommen, ihr Geschäft noch wetterfester zu machen, ein Schritt, für den die Aktionäre zunächst den Gürtel enger schnallen müssen. Die Dividende wird gekürzt, denn der Konzern will ordentlich Geld in die Hand nehmen, um die Digitalisierung voranzutreiben. Ziel des Kraftakts ist dabei vor allem eine erhöhte Wertschöpfungstiefe in der Hotel- und der Kreuzfahrtsparte, indem bei beiden der Ausbau der sogenannten Urlaubserlebnisse vorangetrieben wird. Bei der Digitalisierung der Tui geht es also nicht vordergründig um digitale Vertriebswege, den Verkauf von Hotelurlauben und Kreuzfahrten übers Internet, sondern die verbesserte Ausschöpfung eines Datenschatzes über Millionen von Kunden und die Möglichkeit des Upselling durch die in der Regel lange Vorlaufzeit der Buchungen vor der Reise.Allerdings muss die Tui hier Gas geben. Denn die Kunden sind lange im Internet angekommen und auch die Konkurrenz schläft nicht. Der Reise- und Erlebnismarkt ist ein Tummelplatz zahlreicher Start-ups, darunter Schwergewichte wie Airbnb oder auch junge Unternehmen wie die Berliner Firma Getyourguide. Sie haben ihre innovativen Plattformen längst global skaliert und adressieren eine junge wachsende Klientel, die ihre Reiseplanung gern selbst in die Hand nimmt und aus Einzelbausteinen zusammenfügt. Zwar hat sich die Pauschalreise im Angesicht vielfältigster Reiseformen im Internet als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Allerdings ist sie jüngst durch die Thomas-Cook-Pleite schwer diskreditiert worden, weil sich der mit ihr verbundene sogenannte Reisepreissicherungsschein als Mogelpackung erwiesen hat. Dies dürfte dem Segment weiter zusetzen.——Von Heidi RohdeIn der Reisebranche werden die Schwächen des Veranstaltergeschäfts immer deutlicher. Die Digitalisierung ist indes ein Kraftakt, bei dem die Zeit drängt. ——