Disrupt IPOs!
Mit Teamviewer hat sich der deutsche IPO-Markt eindrucksvoll zurückgemeldet. Ein Börsengang der Superlative – größter Börsengang der Software-Branche global bisher, größter Tech-Deal seit dem Dotcom-Boom und eine Super-Rendite für den Finanzinvestor Permira. Der Schönheitsfehler: Die Aktie notiert trotz Stützungskäufen der Banken von Anfang an unter Emissionspreis. Das dürfte dran liegen, dass der Deal stark “gehypt” worden war. Investoren wollten unbedingt dabei sein, die indikative Bewertung stieg und stieg – was die Long-only-Investoren, denen etwa 75 % des Volumens zugeteilt wurden, schwindelig werden ließ, sodass sie Kasse machen. Diese schwache Performance ist ein schlechtes Omen – zumal zahlreiche IPOs in Frankfurt für lange Gesichter sorg(t)en.Das hat wesentlich damit zu tun, dass die verkaufenden Gesellschafter den Erlös auf Teufel komm raus maximieren wollen. Jeder will das Bewertungshoch erwischen, kaum einer schafft es. Jeder spricht dann vom schwierigen “Umfeld” – plötzliche gesunkene Kurse gelisteter Vergleichsunternehmen, mögliche Zinseintrübung, plötzlich erhöhte Volatilität, geopolitische Verwerfungen etc. Doch es gilt: Umfeld ist immer.So laufen IPO-Prozesse in einem vorgegebenen Ablauf in eine nicht vorhersehbare Marktsituation hinein – der Emittent ist kalkulierbar. Wer an den Markt geht, von dem wissen alle, dass er die Transaktion in einem bestimmten zeitlichen Rahmen machen muss. Entweder hat er Glück und Investoren suchen gerade Equity – das ist nicht vorab zu bestimmen -, oder die Platzierung fährt mit langer Ansage in die Defensive hinein, der Preisdruck steigt. Börsengänge sind käufergetrieben, denn ein IPO, das nicht kommt, tut Investoren nun mal nicht weh. Auf Investorenseite ist vor allem die Machtballung bei großen Institutionen enorm gewachsen. Dafür, dass beim 6 Mrd. Euro schweren Börsengang von Infineon im Jahr 2000 das Buch 32-mal überzeichnet war, sorgte eine breite Anlegerlandschaft von 4 500 Interessenten im Buch. Heute ist die Nachfrageseite stark angloamerikanisch dominiert und vor allem stark oligopolisiert: Regelmäßig geben zehn bis 30 Investoren den Takt vor. Bei Teamviewer sollen 50 % des Volumens an zehn Adressen gegangen sein. BlackRock, State Street, Fidelity, Vanguard und andere dominieren. Hiesige Fonds wie AGI, DWS, Union oder Deka sind bei einigen Börsengängen nur mehr unter ferner liefen dabei. Im Bookbuilding geht es um Momentum: Investoren orientieren sich daran, wie der Wasserstand ist. Wenn es läuft, dann richtig. Und vice versa.Dass Börsengänge gerade in Frankfurt in der Regel sehr mühsam sind, hat auch mit Verfahren zu tun. In den Prozessen hat sich im Prinzip seit dem Telekom-Börsengang 1996 wenig geändert. Doch gibt es seitdem eine viel stärkere Regulierung, die Transaktionen erheblich erschwert und die Flexibilität auf dem Kapitalmarkt und in der Bankenwelt beschneidet – ex- und intern, sodass die Praxis steifer und rigider geworden ist. Es gibt heute weniger Möglichkeiten, schnell zu reagieren und sich anzupassen. Hinzu kommt, dass deutsche Banken auch in IPOFührungsrollen enorm an Bedeutung verloren haben. Hinzu kommt: Der Prozess steckt in einem engen Zwei-plus-zwei-Korsett: Auf die “Intention to Float” folgt auf Basis des bis dahin erarbeiteten Analysten-Research der Konsortialbanken das Pre-Marketing, dem sich auf weitere zwei Wochen nach Bekanntgabe der Preisspanne die “Roadshow” des Managements anschließt. Um den Prozess zu flexibilisieren, könnte auf die Analystenreports verzichtet werden – große Fonds haben eh ein eigenes Buyside-Research. So könnte das Pre-Marketing ganz entfallen. Ein Anmelden der Absichten, an die Börse zu gehen – wie in den USA das SEC-Filing -, und dann der Knopfdruck, wenn der Markt es hergibt, wäre ein weiterer Schritt zur Flexibilisierung. Würde es die Aufsicht ermöglichen, ohne neuen Prospekt außerhalb der Preisspanne zu platzieren, wäre auch einiges gewonnen. Privatplatzierungen oder Setzen auf Ankeraktionäre sind Möglichkeiten zur Stabilisierung.Doch vor allem kommt es darauf an, dass Altgesellschafter sich abschminken, zum Börsenstart das Maximum zu erreichen: eher anfänglich Volumen und Preis reduzieren und später mit Folgeplatzierungen zu höheren Kursen Geld verdienen. So braucht der Kapitalmarkt nicht nur disruptive Unternehmen. Investoren täte auch Disruption im IPO-Prozess gut. Das könnten Auktionen sein oder direktes Listing – mit Umplatzierung und Kapitalerhöhung vorab oder Secondary Offerings danach. ——Von Walther BeckerBörsengänge in Frankfurt sind ein mühsames Geschäft. Das liegt auch an dem starren Korsett der Prozesse. Deutsche Banken und Investoren sind oft nur Statisten.——