Druck im Kessel
Wenn Herbert Hainer sich im Frühjahr 2017 wie geplant vom Vorstandsvorsitz bei Adidas zurückzieht, hätte er den weltweit zweitgrößten Sportartikelkonzern insgesamt 16 Jahre geführt. Der heute dienstälteste Chef eines Dax-Konzerns brächte es dann auf genauso viele Jahre wie Helmut Kohl während seiner Kanzlerschaft. Das ist eine lange Zeit. So etwas prägt. Sein Nachfolger wird sich an ihm messen lassen müssen.Ob der heute 60-jährige Hainer sich in weniger als drei Jahren allerdings mit einer operativen Rekord-Umsatzrendite bei Adidas verabschiedet, bleibt zunächst offen. Viele Analysten trauen ihm das nicht mehr zu, wenngleich mancher 2016 neue Bestwerte bei Umsatz und Ergebnis erwartet. Die Skepsis des Marktes gegenüber dem deutschen Vorzeigeunternehmen aus der beschaulichen mittelfränkischen Kleinstadt Herzogenaurach ist deutlich gestiegen, seitdem Hainer und seine Mannschaft die Anleger im Sommer mit einer Gewinnwarnung und einer kassierten Mittelfristplanung schockiert hatten.Das nagt an der Glaubwürdigkeit von Adidas. Der Konzern war jahrelang ein Liebling der Analysten. Das ist nun vorbei. Seit ihrem Höchststand im Januar (über 93 Euro) hat die Aktie fast zwei Fünftel an Wert eingebüßt. Über 7,5 Mrd. Euro Marktkapitalisierung lösten sich in Luft auf – ein schwerer Schlag für den erfolgsverwöhnten Konzern, der operativ einige schmerzhafte Rückschläge zu verdauen hat. Adidas läuft Gefahr, den Anschluss an den Dauerrivalen Nike – auch wegen eigener Fehler – zu verlieren. Der Marktführer aus den USA stellte Adidas zuletzt mit operativen Erfolgen in den Schatten.Keine Frage, im Adidas-Kessel herrscht derzeit ein enormer Druck. In dieser Lage wirkt das jüngst beschlossene Aktienrückkaufprogramm von 1,5 Mrd. Euro nach außen wie eine hektische Maßnahme, um die Investoren zu besänftigen, wenngleich dieser Schritt aus Sicht des Unternehmens und seiner Hausbanken logisch erscheint im Sinne einer Optimierung der Kapitalkosten. Allerdings war Hainer nie ein großer Freund von Aktienrückkäufen, wie sich bereits in der Vergangenheit gezeigt hat. Die Wirkung bei den Investoren verpuffte auch diesmal rasch. Der Titel machte nur kurzweilig einen Hüpfer nach oben. Aktienrückkäufe sind nur bedingt probate Mittel, um die Anleger dauerhaft bei Laune zu halten. Hainer ist gezwungen, mit operativen Fortschritten am Markt zu überzeugen. Gelingt ihm das, kann sich dies auch wieder in steigenden Kursen widerspiegeln. Bei Adidas haben institutionelle Investoren ein höheres Gewicht als bei anderen börsennotierten Gesellschaften, die im Ernstfall auf einen strategischen Mehrheitsaktionär bauen können. Bei Adidas fehlt diese schützende Governance-Konstruktion. Die AG befindet sich vollständig im Streubesitz. Das macht die Firma angreifbarer als manch andere deutsche Blue Chips.Was passieren kann, wenn sich Firmen zu lange auf ihren Lorbeeren ausruhen, konnte Hainer in unmittelbarer Nachbarschaft in Herzogenaurach besichtigen. Der viel kleinere Wettbewerber Puma verlor im Lifestyle-Geschäft an Zugkraft. Seit dem Rückzug des langjährigen Vorstandschefs Jochen Zeitz befindet sich das nunmehr mehrheitlich zum französischen Modekonzern Kering gehörende SDax-Mitglied mitten in einem Transformationsprozess. So weit muss es bei Adidas nicht kommen. Dafür ist das Unternehmen stark genug, um seine Probleme selber zu lösen.Bis zur Stabübergabe steht Hainer allerdings vor großen Herausforderungen. Der Adidas-Chef hatte noch nie so viele Baustellen gleichzeitig zu bewältigen. Im Vergleich zu heute war die Integration des US-Zukaufs Reebok ein leichteres Unterfangen. Die geschwächte Golfsparte will er mit Hilfe eines Restrukturierungsprogramms wieder auf Wachstumskurs bringen. Erste Erfolge will Hainer bis Jahresende vorweisen. An der Währungsfront zeichnet sich derweil eine Entspannung ab, seit der Dollar deutlich an Außenwert gewinnt. Im ersten Halbjahr büßte Adidas wegen des starken Euro 450 Mill. Euro an Umsatz ein.Die beiden größten Hürden für Adidas sind jedoch Russland und die USA. Infolge der Ukraine-Krise musste Hainer seine ambitionierten Wachstumsziele in Russland, das fast für 10 % der Konzernumsätze steht, zurückschrauben. In den USA schwächelt das Geschäft. Platzhirsch Nike konnte hier deutlich punkten. Viel Zeit, in diesen beiden Schlüsselmärkten das Ruder herumzureißen, bleibt Hainer nicht mehr.——–Von Stefan KroneckNach operativen Rückschlägen steht Adidas-Chef Herbert Hainer unter hohem Erwartungsdruck. Viel Zeit, die Probleme zu lösen, bleibt ihm nicht.——-