LeitartikelBondmärkte

Eher Bremsklotz - weniger Katalysator

Marktakteure beklagen, dass die EU-Taxonomie zu restriktiv ist. Für Green Investments wirkt sie eher wie ein Bremsklotz und weniger als Katalysator.

Eher Bremsklotz - weniger Katalysator

Green Finance

Eher Bremsklotz – weniger Katalysator

Marktakteure beklagen, dass die EU-Taxonomie zu restriktiv ist. Für Green Investments eher Bremsklotz als Katalysator.

Von Kai Johannsen

Wir brauchen keine Vorschriften für Green und Sustainable Investing – genau das stellte vor exakt fünf Jahren Andreas Utermann, seinerzeit Chief Executive Officer (CEO) von Allianz Global Investors (AGI), im Interview dieser Zeitung klar und sorgte damit auf der Green-Bond- und Social-Bond-Principles-Konferenz der ICMA (International Capital Market Association), die 2019 erstmals in Frankfurt stattfand, für eine rege Diskussion. Denn seinerzeit war die EU-Taxonomie in Vorbereitung, und Utermann sorgte sich, dass die europäischen Gesetzgeber die Möglichkeiten für die europäische Assetmanagement-Industrie, ihren Job so gut wie möglich für eine große Bandbreite von Investoren zu erledigen, durch diese Taxonomie womöglich zu sehr beschneiden. Nun ist im Grunde genommen genau das eingetreten, was Utermann befürchtete. Fünf Jahre später wird auf der ICMA-Jahrestagung genau dieses Problem diskutiert. Geht die Taxonomie zu weit und behindert Green Investing? Das ist die Frage, die sich viele Marktakteure im Bereich von Green und Sustainable Finance aktuell stellen.

Um eines gleich vorwegzunehmen: Die Taxonomie ist als ein grundlegender Ansatz nicht per se zu verwerfen und in jedem einzelnen Aspekt, den sie für den Markt der grünen, sozialen und nachhaltigen bzw. auch nachhaltigkeitsgebundenen Anlagen regelt, zu kritisieren. Denn was ist der Grundgedanke, dem sie eigentlich nachgeht bzw. nach dem Dafürhalten von Anlegern nachgehen sollte? Das sind im Wesentlichen zwei Punkte, die ineinandergreifen. Sie soll (einen Skandal von) Greenwashing vermeiden. Es soll ausgeschlossen werden, dass jemand eine Anleihe einfach zum Green Bond umpinselt, also Etikettenschwindel betreibt und damit Investoren nur vorgaukelt, dass die ihm über den Green Bond anvertrauten Gelder auch tatsächlich grün angelegt werden, also für den Klima- und Umweltschutz eingesetzt werden. Und deshalb, und das ist der zweite Punkt, der sich direkt anschließt, definiert die Taxonomie, was denn als grünes/nachhaltiges Projekt in Frage kommt und was eben nicht. Das ist für sich genommen ja eine gute Sache.

Doch mit der EU-Taxonomie kommen nun aber immer mehr auch die hochgezogenen Augenbrauen. Regelwut, Überregulierung, ein schlichtweg zu starres Korsett, das letzten Endes einfach zu viel ausschließt an grünen Projekten und damit eben auch Investmentmöglichkeiten den Garaus macht. Viele im Markt sehen die Taxonomie mittlerweile eher als einen Bremsklotz denn als Katalysator. Das wurde auf der diesjährigen ICMA-Jahrestagung in Brüssel in den Diskussionen nur zu deutlich. Die Regelungen gehen für viele Marktteilnehmer einfach zu weit und auch zu tief – das ist der Kritikpunkt.

Und den Akteuren, die Kritik üben, ist ja nicht gerade komplett Unrecht zu geben, wenn man sich die Entwicklung des Marktes und in welchem Fahrwasser diese stattgefunden hat einmal ansieht. Die ICMA erarbeitete mit den Marktteilnehmern weit vor der EU-Taxonomie die Green Bond und Social Bond Principles und später die Sustainability Bond Guidelines, freiwillige Prozessleitlinien für die Emittenten solcher Anleihen. Der Markt hat sich zu diesem mehrere Billionen Dollar schweren Segment entwickelt auf der Grundlage freiwilliger Marktstandards. Nun gibt es diese zwar immer noch, aber die EU-Taxonomie kommt – wie viele meinen – für Investments erschwerend hinzu.

Einfach mehr laissez faire wünscht sich da so mancher und hat auch Recht damit. Denn vielerorten wird ja beklagt, dass noch so viele hunderte von Milliarden Euro und Dollar bzw. gar Billionenbeträge für Klima- und Umweltschutz erst noch mobilisiert werden müssen. Diese Projekte sind dringend notwendig, um Menschheit und künftige Generationen zu schützen. Dem Kapitalmarkt kommt bei der Mobilisierung natürlich eine erhebliche Rolle zu. Wenn dann zu scharf und bis ins tiefe Detail Vorschriften und Regelungen gemacht werden, kann das im Sinne des Ganzen schon recht kontraproduktiv werden. Der Kapitalmarkt kann damit auch nicht mehr in vollem Umfang seiner Rolle in der Allokation von Kapital gerecht werden. Etwas weniger Regelung und damit mehr Freiheit, um grüne, nachhaltige Ziele zu erreichen, tut allen gut: Akteuren, Markt und Klima.

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