LEITARTIKEL

Ein heißer Reifen

Die Diskussion über eine Überbewertung von Tesla läuft schon über Jahre. Zahlreiche Hedgefonds haben sich mit Wetten gegen den kalifornischen Elektroauto-Pionier mittlerweile die Finger verbrannt. Obwohl lange rote Zahlen geschrieben wurden, die...

Ein heißer Reifen

Die Diskussion über eine Überbewertung von Tesla läuft schon über Jahre. Zahlreiche Hedgefonds haben sich mit Wetten gegen den kalifornischen Elektroauto-Pionier mittlerweile die Finger verbrannt. Obwohl lange rote Zahlen geschrieben wurden, die Wachstumsziele oft zu hoch waren und CEO Elon Musk immer wieder für Unmut unter den Investoren sorgte, hat Tesla noch immer die Kurve gekriegt. Mit der Pandemie ist es plötzlich der Rest der Automobilbranche, der ins Schleudern zu kommen droht, und Tesla liegt stabil auf der Straße. Wer die Formel 1 verfolgt, kennt das Problem: Wird das Wetter unberechenbar, entscheidet die Reifenwahl, ob man die PS auch auf die Straße bekommt.Tesla, das zeigen die vergangenen Monate, hat offenbar das richtige Gummi gegriffen. Im zweiten Quartal wurde – trotz globaler Krise – bereits der vierte Gewinn in Serie geschrieben. Von den großen Marken hat laut einer Erhebung von Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer nur Porsche im jüngsten Vierteljahr je Auto mehr Geld verdient. Die Bewunderung der Analysten für das kalifornische Unternehmen, das mit mehr als 370 Mrd. Dollar Marktkapitalisierung aktuell mehr wert ist als die beiden größten Autobauer Toyota und Volkswagen zusammengenommen, geht so weit, dass traditionellen Autobauern wie General Motors geraten wird, ihre E-Auto-Aktivitäten abzuspalten, um deren Wert freizulegen.Doch lässt sich das Erfolgsmodell Tesla auf die Elektromobilität reduzieren? Sicher nicht. Die Tatsache, dass die Kalifornier inzwischen sehr gute Elektroautos im mittleren bis hohen Preissegment fertigen und mit Gewinn verkaufen, ist kein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings gilt: Kein konkurrierender Hersteller bietet auch nur annähernd ein solches Rundum-Paket wie Tesla. Das beginnt beim hauseigenen Schnellladenetz. Natürlich arbeiten die anderen Hersteller zusammen mit Ionity daran, das Schnellladenetz in Europa auszubauen. Doch erstens ist dieses noch nicht vergleichbar dicht wie Teslas Supercharger-Angebot. Und zweitens hilft es dem Premium-Image von Tesla natürlich, dass man die eigene Klientel mit einem exklusiven Ladenetz versorgen kann, während es dem Fahrer des Porsche Taycan passieren kann, dass er sich etwa hinter einem Nissan Leaf und einem E-Golf anstellen muss, um Strom auf einer längeren Fahrt aufzutanken. Zum Premiumerlebnis für einen Premiumpreis gehört eben mehr als eine gute Geräuschdämmung, tolles Fahrverhalten und eine edle Verarbeitung.Ein weiteres Feld, in dem Tesla brillieren kann, ist die Software. Aktualisierungen des Betriebssystems ohne Werkstattbesuch klappen bei BMW mittlerweile einigermaßen, bei Porsches Taycan nur bei kleineren Updates. Für größere Pakete muss der Fahrer in die Werkstatt – auch das in der aktuellen Lage sicher ein Nachteil gegenüber der Fernwartung, die Tesla ermöglicht. Hinzu kommen die funktionellen Softwareverbesserungen. Ein Tesla wird im Lebenszyklus besser. Das soll zwar auch beim VW ID.3 so sein, aber die Kalifornier haben einen Track Record, auf den sie verweisen können. Auch beim Bestellprozess ist Tesla im Vorteil. Zwar ist dieser bei praktisch allen Herstellern digitalisiert worden. Doch die Kalifornier haben ihre Kunden schon seit Jahren daran gewöhnt, dies auch zu nutzen.——Von Sebastian SchmidTesla ist an der Börse mehr wert als VW und Toyota zusammen. In der Pandemie, die andere Autobauer bremst, halten sich die Kalifornier in der Erfolgsspur.——