Ein Jahr Stillstand
Am Freitag, den 13. März 2020, vor fast genau einem Jahr, nahm das Drama für Europas Airline-Branche seinen Lauf. Damals trat ein Einreisestopp für Nichtamerikaner aus EU-Ländern in Kraft, das der damalige US-Präsident Donald Trump für zunächst 30 Tage verhängt hatte. Der Rest ist Geschichte. Der Flugverkehr zwischen dem Schengenraum und den USA kam damit faktisch zum Erliegen – und, wie man heute weiß, das nicht nur für 30 Tage, sondern für nunmehr ein Jahr. Und ein Ende ist nicht in Sicht.
Das Flugverbot zwischen den USA und Europa werde viele Fluglinien umhauen, war damals die Prognose vieler Branchenkenner. Und sie haben Recht behalten. Gerade die Airlines mit starkem Auftritt in Richtung Asien und Nordamerika – also etwa die Lufthansa – gerieten in arge Nöte, weil im Langstreckengeschäft kaum mehr etwas ging. Bis heute wird zwar ein Rumpfangebot in Richtung USA aufrechterhalten, aber viele Flugzeuge sind nur mit einer Handvoll Passagieren unterwegs, im Vordergrund steht der Frachttransport. Andere wie die schon zuvor angeschlagene Norwegian haben sich gleich ganz aus dem Nordamerika-Geschäft zurückgezogen. US-Carrier wie Delta oder United haben die Krise ebenso wie Lufthansa oder Air France-KLM nur mit Hilfe staatlicher Finanzhilfe überstanden. Dabei sind die Amerikaner im Vergleich zu den Europäern noch fein raus, da sie zumindest Geschäfte in ihrem großen Heimatmarkt machen können. Dem stehen in Europa die in der Pandemie wieder in die Höhe gewachsenen Grenzzäune entgegen, die freies Reisen nicht mehr erlauben. Abschreckend sind zudem Quarantäneregeln, die mit Reisen in viele Nachbarländer verbunden sind.
Solange die Reiseschranken in Richtung USA nicht fallen, ist Airlines wie der Lufthansa die Rückkehr zur Normalität verbaut. Vor der Krise war das Transatlantikgeschäft einer der wichtigsten Ergebnisbringer, und dieser ist am Freitag, den 13. März 2020, von jetzt auf gleich weggebrochen. Im Unterschied zu früheren Krisen konnte dieses Mal der Verkehr in andere Regionen die gerissene Lücke nicht schließen, denn Fliegen ist weltweit nur sehr eingeschränkt möglich. Anders als etwa nach dem 11. September 2001 dauerte die Unterbrechung des Flugverkehrs auch nicht nur ein paar Tage, sondern mittlerweile ein Jahr. Die Verwerfungen durch die Coronavirus-Pandemie werden zur Folge haben, dass sich die Luftfahrtbranche tiefgreifend verändern wird. Einige Unternehmen sind bereits nicht mehr am Markt, weitere könnten verschwinden, wenn der Reiseverkehr noch wochen- oder monatelang stark eingeschränkt ist. Die Option, sich unter das Dach eines stärkeren Konkurrenten zu flüchten, entfällt für die Wackelkandidaten derzeit. Denn viele Regierungen haben die finanzielle Hilfe an die Airlines mit einer Art M&A-Verbot verknüpft, damit das (Staats-)Geld nicht in ausländische Märkte fließt.
Das Erreichen der Vorkrisen-Ergebnisse wird auch dadurch erschwert, dass vor allem dem zuvor hochprofitablen Geschäftsreisesegment noch eine lange Durststrecke vorausgesagt wird. Die Auswirkungen der Pandemie haben vielen Unternehmen auch außerhalb der Luftfahrtbranche zugesetzt, so dass auf die Ausgaben geachtet wird. Zudem hat sich das mobile Arbeiten in den vergangenen Monaten bewährt, was manche Geschäftsreise unnötig macht. Schätzungen zufolge sorgt allein der Einsatz von digitalen Konferenzen dafür, dass das Geschäftsreiseaufkommen um rund ein Viertel sinken wird.
In der Folge werden sich nun alle Airlines auf das touristische Geschäft stürzen. Diesem wird zwar nach Ende der Pandemie eine große Nachfrage vorausgesagt, aber ob der Kuchen für alle reichen wird, ist die große Frage. Zumal Urlauber mehr auf den Preis schauen als Geschäftsreisende, und dafür hat nicht jede Airline ausreichend schlanke Kostenstrukturen. Lufthansa etwa bastelt gerade an ihrer touristischen Tochter „Eurowings Discover“, die mit günstigeren Kosten auf Kundenfang gehen soll. Dies ändert aber nichts an den nach wie vor im Wettbewerbsvergleich hohen Kosten im Rest-Konzern, bei denen es zwar Fortschritte gibt, aber noch keinen großen Durchbruch. Zusätzlich belastet wird der Restart durch die Schuldenberge, die im Laufe der Krise bei den meisten Airlines aufgebaut wurden. Auf mittlere Sicht werden den Unternehmen Investitionen in neue Flugzeuge, die einen zusätzlichen Schub für niedrigere Kosten bringen könnten, schwerfallen. Damit könnte auch das Ziel eines emissionsfreien Flugverkehrs, das sich die Branche für 2050 vorgenommen hat, in weitere Ferne rücken.