Musk hält Tesla-Aktionäre in Geiselhaft
Tesla
Ein Unternehmen in Geiselhaft
Von Alex Wehnert
Die Tesla-Aktionäre haben sich von Elon Musk erpressen lassen – und damit ein gefährliches Signal gesendet.
Die Aktionäre von Tesla haben sich zu Geiseln ihres größenwahnsinnig anmutenden Vorstandsvorsitzenden gemacht – und dürfen die Schuld für eine Vernichtung des Shareholder Value in den kommenden Jahren damit nur bei sich selbst suchen. Auf der Hauptversammlung des Elektroautobauers stimmten die Anteilseigner für zwei Anträge, für die Elon Musk massiv die Trommel gerührt hatte: ein milliardenschweres CEO-Vergütungspaket und einen Umzug der Eintragung als Kapitalgesellschaft vom Bundesstaat Delaware nach Texas. Beide Punkte entspringen der Willkür eines CEO, dem die Anteilseigner nun aber trotz sinkender Absatzzahlen und erodierender Margen die Unterstützung ausgesprochen haben.
Erklären lässt sich dies durch das Stockholm-Syndrom, ein psychologisches Phänomen, bei dem Geiseln mit ihren Entführern sympathisieren und kooperieren. Denn nach Drohungen Musks ging die Sorge um, dass der Milliardär die Produktinnovation bei Tesla nachrangig behandeln und KI- und Robotikanwendungen andernorts entwickeln werde, wenn die Ergebnisse der Hauptversammlung ihn verstimmten. Versprechen bezüglich des autonomen Fahrens sind schließlich entscheidend für die Kapitalmarktstory, mit der Musk die selbst im Vergleich zu anderen Magnificent-Seven-Aktien hohe Bewertung zu rechtfertigen sucht.
Schwache Autonomie-Bilanz
Hochtrabende Ankündigungen zu fortschrittlichen Fahrassistenzsystemen macht der CEO allerdings schon seit 2016. Vorzuweisen hat er in Wahrheit eine durch Kundenbeschwerden, Unfälle mit Todesfolge, Rückrufe und regulatorische Untersuchungen zum Tesla-„Autopiloten“ geprägte Bilanz. Wer Musks zusammengestammelten Einlassungen auf der Hauptversammlung gelauscht hat, der muss spätestens zu diesem Zeitpunkt eigentlich das Zutrauen verloren haben, dass der auf zahlreichen anderen Hochzeiten tanzende Milliardär seinen Fokus noch auf den E-Autobauer legt.
Doch trotz der Fehlschläge auf breiter Front haben sich die Aktionäre von einem Vorstandschef erpressen lassen, dessen kontroverse Auftritte und Aktivitäten auf der Social-Media-Plattform X dem Markenimage von Tesla längst mehr Schaden zufügen, als seine Strahlkraft als vermeintlicher Visionär an Nutzen bringt. Musk kann die durch Drohungen errungene Zustimmung für sein unmäßiges Vergütungspaket im Nettowert von 46 Mrd. Dollar nun als Vertrauensvotum für sich verbuchen. Die Anteilseigner haben damit die entscheidende Chance verpasst, den irrlichternden CEO in die Schranken zu weisen.