Eine Entscheidung muss her
Pflichtversicherung
Die Zeit drängt
Von Antje Kullrich
Die Diskussion um einen besseren Hochwasserschutz und eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ist zäh wie Kaugummi. Mit jeder neuen Überschwemmungskatastrophe in Deutschland kocht sie wieder hoch, wird ordentlich durchgekaut und dann nach kurzer Zeit vergessen. Doch das Thema drängt immer mehr. Darauf haben die deutschen Versicherer am Mittwoch plakativ hingewiesen, indem sie die künftige Preisexplosion in der Wohngebäudeversicherung skizzierten. Der Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz war zudem geschickt gewählt, dieses eher sperrige und unangenehme Thema noch einmal in den Mittelpunkt zu rücken. Denn die krisengeplagten Regierungschefinnen und -chefs der Länder priorisieren gerade andere Themen – Energiewende, Ukraine-Krieg und Flüchtlingspolitik. Das ist so verständlich wie fahrlässig. Mit mehr Fokus auf Prävention ließen sich die kommenden Unwetterkatastrophen eindämmen, die Schäden begrenzen. Doch Prävention ist für Politiker ein Gebiet, auf dem sich kein Blumentopf gewinnen lässt. Funktioniert sie, merkt es leider keiner.
Dass die Versicherungsbranche auf die dringende Notwendigkeit eines ganzen Maßnahmenbündels zum besseren Schutz vor den Schäden des Klimawandels pocht, ist richtig. Ihre Ablehnung einer Pflichtversicherung ist jedoch fragwürdig. Denn in der Argumentation werden die politischen Realitäten nach milliardenschweren Katastrophen hierzulande komplett außer Acht gelassen. Und die sehen so aus: Wenn Menschen ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, wird nicht gefragt, ob sie zuvor eine Versicherung aus Kostengründen abgelehnt haben. Der Staat hat angesichts der drastischen Bilder großer Zerstörungen steuerfinanziert nach den Fluten an Oder, Elbe oder Ahr immer geholfen – und wird das auch wieder tun.
Volkswirtschaftlich macht eine Pflicht für Immobilienbesitzer, sich gegen Naturkatastrophen zu versichern, also durchaus Sinn. Für die Versicherer kann ein forcierter Schutz vor Unwettern ein lohnendes Geschäft werden. Die Wohngebäudeversicherung ist ein Wachstumsfeld und die Sparte mit rund 10 Mrd. Euro Beitragseinnahmen im vergangenen Jahr auch nicht ganz klein. Zudem stellen sich immer mehr Unternehmen der Branche als Risikomanager auf und bieten außer Policen auch lukrative Dienstleistungen drumherum an. Am Ende ist es für die Branche vielleicht ein Stück weit gleich, ob sich die Politik auf eine Pflichtversicherung oder eine Opt-out-Regelung verständigt. Viel wichtiger ist eine zügige Entscheidung. Die nächste Katastrophe kommt bestimmt.