Einlagensicherung im Kampf gegen die Zeit
Operation Entschädigung
Einlagensicherungssysteme weltweit kämpfen um rasche Auszahlung an Bankkunden nach einem Pleitefall. Der Aufwand ist immens, die globale Organisation IADI sieht in der Praxis viele Hürden. Die Abwicklung der Greensill-Pleite in Deutschland weckt international Interesse.
Wenn das Geld nicht kommt, werden Einleger nervös: "Ich habe wenig Vertrauen in den Einlagensicherungsfonds und hege ernsthafte Zweifel, ob ich zeitgerecht entschädigt werde", schreibt der Nutzer "Buschwerker" Ende März 2021, rund zwei Wochen nach der Insolvenz der Greensill Bank, unter einem Artikel der Stiftung Warentest zum Pleitefall. "Bis zum 31.3. kein Zahlungseingang!", erregt sich "Casacorinna" und "Orteni" hält fest, die gesetzliche Entschädigungsfrist von sieben Arbeitstagen sei "offensichtlich nicht gewährleistet".
Anders als eine Handvoll Privatleute im Internet zieht der Bundesverband deutscher Banken eine positive Bilanz. "Die Entschädigung der Einleger ist aus unserer Sicht optimal verlaufen", sagt Hilmar Zettler, der als Mitglied der Geschäftsleitung für Bankenaufsicht und Einlagensicherung verantwortlich ist. 3,0 Mrd. Euro an rund 22.000 Einlagen zahlten Entschädigungseinrichtungen deutscher Banken und der zugehörige Einlagensicherungsfonds damals aus. Die Sparer erhielten die gesetzlich vorgesehene Entschädigung bis 100.000 Euro, aber auch den darüber hinausgehenden Schutz aus dem Sicherungsfonds, so dass auch institutionelle Bankkunden mit oft millionenschweren Beträgen abgesichert waren.
Hohe Auszahlungsquote
Die International Association of Deposit Insurers (IADI), der Weltverband der Einlagensicherungssysteme, zieht eine positive Bilanz nach der Greensill-Pleite. Am 25. März 2021, sieben Arbeitstage nach der Insolvenz, hatten 82% der Einleger auf das ursprüngliche Anschreiben der Einrichtungen reagiert. 99,5% von ihnen waren da bereits entschädigt. Gegen Ende Juli waren mehr als 99% der Einleger ausgezahlt. Das hält die IADI in einem kürzlich veröffentlichten Bericht fest.
Eine rasche Auszahlung ist häufig eine Herausforderung für Einlagensicherungssysteme, wie der Bericht dokumentiert. Etliche Einrichtungen griffen bereits nach Bankpleiten ein, davon 19 befragte Sicherungssysteme in den Jahren 2016 bis 2021. Die Auszahlungsfrist von sieben Tagen, die in den Statuten der IADI einen Richtwert darstellt, halten viele Sicherungssysteme dabei nur teilweise ein.
Die Gründe sind vielfältig: In mehreren Pleitefällen fiel es Sicherungssystemen schwer, mit den betroffenen Kunden in Kontakt zu treten oder die konkreten Ansprüche zu bestimmen. Die Pandemie und Betrugsfälle erschwerten zuweilen ebenfalls die Auszahlung. Noch häufiger fehlt ein Konto, um das Geld zu überweisen, oder die Identifikation der Kunden misslingt. Das häufigste Problem, so berichtet die IADI, ist jedoch der Mangel an belastbaren und einheitlichen Kundendaten. Die Organisation empfiehlt standardisierte Kundeninformationen, die im Pleitefall direkt bereitstehen.
Kundensuche in Mexiko
Gerade in Schwellenländern, so legt der IADI-Bericht nahe, ist die Entschädigung aufwendig. So musste die staatliche Einlagensicherung in Mexiko, das Instituto para la Protección al Ahorro Bancario (IPAB), etwa 643.000 Menschen entschädigen, nachdem das Land der Bank Ahorro Famsa die Lizenz entzogen hatte.
Doch ein weiteres Konto besaßen viele Menschen gar nicht. Kleinere Beträge zahlte die Einlagensicherung aus, indem sie Kunden per SMS einen Code zukommen ließ, mit dem sie auch ohne Kundenkarte an Bankautomaten Geld abheben konnten. Kunden mit größeren Beträgen wiederum erhielten einen Scheck. Darüber hinaus kooperierte die Einlagensicherung mit einer Partnerbank, um Überweisungen zu ermöglichen.
Um der Vielzahl der Kunden zu helfen, entsendete die Einlagensicherung Personal zu rund 1.100 Filialen der gescheiterten Bank. Außerdem informierte sie im Rundfunk und Fernsehen über die Entschädigung und spannte das Call-Center der Pleitebank ein. Trotz des Aufwands waren nach einem Monat erst 72% der versicherten Einlagen ausgezahlt worden, wie die IADI festhält. Es dauerte also viel länger als im deutschen Fall Greensill.
Es gab ein weiteres Problem: Rund 2.500 Einleger hatten mehr Geld hinterlegt, als abgesichert war. Die mexikanische Einlagensicherung zahlte Beträge nur bis zu rund 2,57 Mill. Pesos aus, das sind nach heutigen Preisen rund 130.000 Euro. In Mexiko-Stadt gingen Sparer auf die Straße.
Bis zu 50 Mill. Euro in Deutschland
In der Europäischen Union deckt die gesetzliche Einlagensicherung 100.000 Euro ab, die privaten Banken in Deutschland sichern darüber hinaus freiwillig für Privatpersonen bis zu 5 Mill. Euro ab und für viele andere Einleger bis zu 50 Mill. Euro. Sparkassen und Genossenschaftsbanken stehen jeweils mit ihren Institutssicherungssystemen füreinander ein – und vermeiden auf diese Weise den Entschädigungsfall.
Verstreicht zu viel Zeit bis zur Auszahlung, stellt dies für die gesamte Branche ein Problem dar: Das Einlagengeschäft von Banken setzt Vertrauen der Kunden voraus. Mit der zügigen Entschädigung soll eine Kundenflucht verhindert werden, ehe sie entsteht. Eine weltweite Umfrage unter Bankkunden ergab, dass eine Einlagensicherung viele, aber längst nicht alle Menschen davon abhält, im Falle einer Schieflage ihr Geld rasch abzuziehen. Um das Vertrauen der Kunden muss die Branche also kämpfen.
Früh geplant ist halb gewonnen
"Eine gute Vorbereitung ist essenziell", sagt Bankenverbandsexperte Zettler zum Fall Greensill. Die Entschädigungseinrichtung und der Einlagensicherungsfonds bereiteten sich früh vor. Noch bevor die BaFin das Moratorium verhängte, ließen sie sich von der Greensill Bank alle notwendigen Kundendaten geben. Dafür gibt es ein Standardformat. Die Identifizierung der Kunden war somit leicht.
Schwierig war jedoch die Rolle der Zinsplattformen. Die Greensill Bank hatte binnen kurzer Zeit über Portale wie Weltsparen Kundengeld eingesammelt und die Bilanzsumme in der Spitze auf 4,5 Mrd. Euro ausgedehnt. Die Einlagensicherung der privaten Banken bereitete daher neun verschiedene Anschreiben vor, um allen Kunden gerecht zu werden. Auch mit den Zinsplattformen suchte sie Gespräche. Oft waren Sparer mit einigen Tausend oder Zehntausend Euro betroffen, darüber hinaus aber auch institutionelle Anleger mit höheren Geldbeträgen.
Doch auch die Greensill-Pleite zog Streit nach sich. Die Hypo Real Estate Holding, die aus der gleichnamigen gescheiterten Bank hervorging, fordert bis heute 75 Mill. Euro zurück. Der Verband argumentiert, dass eine Holding eine Bank sei und somit von der Einlagensicherung ausgeschlossen. Die Institutionen streiten sich seither vor Gericht.
Fehlanreiz vs. Sicherheit
Weltweit weist die IADI heute 114 Sicherungssysteme aus. Doch auch wenn die Einlagensicherung nicht wegzudenken ist, kann sie Problemen verursachen. Bankkunden können das Gefühl für die Risiken verlieren und allein auf die Höhe der Zinsen achten. Das in der Ökonomie als "Moral Hazard" bekannte Phänomen wird nicht nur in Fachkreisen diskutiert, sondern ist auch den Nutzern im Internet bewusst: "Wenn mir eine Bank in der heutigen Zeit einen Zinssatz weit oberhalb der üblichen Kondition anbietet, wo für jeden Laien erkennbar ist, dass die Bank drauflegt, warum hinterfrage ich das nicht?", schreibt "Wodan37" zu Greensill. "Und dann große Augen machen und anderen die Schuld zuweisen."
Tatsächlich sind die gescheiterten Banken oft hohe Risiken eingegangen. Die Greensill Bank stellte im Konzern des britisch-australischen Lieferkettenfinanzierers Greensill die notwendigen liquiden Mittel bereit, geriet mit der Pleite der Konzernmutter aber ebenfalls in den Abgrund. Die deutsche Niederlassung der Maple Bank betrieb im großen Stil Cum-ex-Geschäfte, ehe sie im Zuge einer Steuerrücknachforderung ihre Arbeit einstellen musste. In den USA war die Silicon Valley Bank, die in langlaufende Anleihen investierte, der Zinswende nicht gewachsen, so dass der Staat einsprang.
Die IADI will auch in Deutschland einen Fehlanreiz erkannt haben: Viele entschädigte Zinssparer legten das Geld nach der Pleite direkt wieder über eine Zinsplattform an. Sie scheuten das Risiko also nicht. Auch war zu beobachten, dass einige Einleger im Vorfeld der Pleite ihr Geld nur bis zur Höhe der Sicherungsgrenze abzogen. "Moral Hazard", lautet der Befund der IADI.
Freilich lässt sich das Verhalten auch als Vertrauensbeweis deuten. In der Kommentarspalte der Stiftung Warentest legte sich der Groll jedenfalls rasch: "Casacorinna" räumte ein, im Formular für die Entschädigung eine andere Kontonummer angegeben zu haben. Die Entschädigungseinrichtung, so schreibt sie, forderte daraufhin eine Kopie ihres Personalausweises, sagte aber die Zahlung zu. "Buschwerker" ergänzte, die Zahlung erhalten zu haben, wenn auch mit Verspätung. Der Aufstand blieb aus. Operation geglückt.
Von Jan Schrader, Frankfurt
Die Privatbank Herstatt rutschte 1974 nach gescheiterten Devisengeschäften in die Abwicklung. Direktor Hans-Hermann Gerloff sprach mit dem Megafon zu aufgebrachten Sparern. Wenig später schufen die privaten Banken ihren Einlagensicherungsfonds.
Nach der Pleite der isländischen Kaupthing Bank 2008 zog sich die Entschädigung von zehntausenden deutschen Sparern aus den Töpfen der isländischen Einlagensicherung hin. Vor der isländischen Botschaft in Berlin versammelten sich geschädigte Anleger.
Die mexikanische Bank Ahorro Famsa wurde 2020 abgewickelt. Die Einleger erhielten jeweils bis zu 2,57 Mill. Pesos (heute etwa 130.000 Euro) als Entschädigung. Einige Sparer hatten mehr Geld angelegt – und demonstrierten im April 2021 in Mexiko-Stadt.
Nach der Pleite der Silicon Valley Bank im März 2023 verhinderten die USA den Entschädigungsfall, indem die Einlagensicherung FDIC gemeinsam mit Notenbank und Finanzministerium das Institut auffing. Vor der Zentrale in Santa Clara versammelten sich damals Presse und Bankkunden.
Die Maple Bank in Frankfurt hatte sich mit Cum-ex-Geschäften verhoben, so dass die Finanzaufsicht BaFin im Februar 2016 die Schließung anordnete. Die Einlagensicherung der privaten Banken stemmte 2,6 Mrd. Euro für die Entschädigung. Das hohe Schutzniveau führte sie später etwas zurück.
Die Europatochter der russischen Sberbank mit Sitz in Wien verzeichnete wegen des russischen Großangriffs auf die Ukraine hohe Abflüsse. Die Aufsicht untersagte im März 2022 den Geschäftsbetrieb. Die österreichische Einlagensicherung wendete rund 900 Mill. Euro für die Entschädigung auf.