Entzweigerissen
Die westliche Welt der Energiekonzerne geht auf Abstand zu Russland – und die Trennung wird schmerzhaft. Russland spielt eine entscheidende Rolle auf den globalen Rohstoffmärkten. Es steht als drittgrößter Produzent für 10% des globalen Ölmarktes und als weltweit größter Gas-Exporteur für ein Drittel der Gaslieferungen nach Europa. Anders als das Öl kann das Gas aus Russland nicht einfach substituiert werden. Die beiden Energie-Welten sind eng verzahnt und lassen sich nicht anhand einer perforierten Linie mal eben sauber trennen. Wer zu hastig auseinanderreißt, beschädigt das eigene Stück.
Der Krieg gegen die Ukraine hat bereits die britischen Energiegiganten BP und Shell ebenso wie Norwegens Equinor zu einem historischen Schritt veranlasst, der Wertminderungen in Milliardenhöhe mit sich bringt. Als Aufkäufer werden chinesische Staatsunternehmen erwartet. Auch Total Energies aus Frankreich stellt zumindest die Investitionen in Russland ein. Nun wächst der Druck auf deutsche Unternehmen, dem Beispiel zu folgen und ihre Beteiligungen in Russland abzustoßen.
So ist die im Besitz von BASF und der Investmentfirma des Oligarchen Michail Fridman befindliche Wintershall Dea an Gas produzierenden Gemeinschaftsunternehmen mit Gazprom in Sibirien beteiligt. An der ersten Nord-Stream-Pipeline von Russland nach Deutschland ist Wintershall wie Eon ebenfalls beteiligt. Wie der Gasimporteur Uniper hat Wintershall Dea ein langfristiges Darlehen für Nord Stream 2 bereitgestellt. Allein durch die bevorstehende Pleite der Pipeline Nord Stream 2 steht für Uniper und Wintershall jeweils eine Dreiviertelmilliarde Euro Finanzierung im Feuer. Uniper besitzt zudem die Mehrheit von 84% am großen russischen Stromversorger Unipro und ist wie die finnische Mutter Fortum in großem Umfang in dem Land tätig.
Putins Einmarsch in der Ukraine erzwingt die größte Neubewertung der Unternehmensbeziehungen zu Russland seit dem Ende der Sowjetunion und stellt Energiemanager und Rohstoffhändler vor die Wahl, entweder an (noch) lukrativen Geschäften festzuhalten oder Rufe nach einem Rückzug zu beherzigen. Bei westlichen Sanktionen wurde bisher versucht, eine Einschränkung russischer Öl- und Gasexporte zu vermeiden, und einige Unternehmen sagen auch jetzt noch, dass sie in dem Land tätig sein können. Doch scheint die Furcht vor einem Rufschaden und künftiger Verschlechterung des Russlandgeschäfts immer öfter zu überwiegen. Das lässt einen Dominoeffekt erwarten.