Notiert inMadrid

Erhitzte Gemüter an den Urnen

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien am Sonntag finden bei extrem hohen Temperaturen statt. Die rechtsextreme Vox will aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen und hofft auf eine Regierungsbeteiligung in Madrid.

Erhitzte Gemüter an den Urnen

Notiert in Madrid

Es gibt kaum einen Ort in Spanien, wo man der brütenden Hitze dieser Tage entkommen kann. In Madrid stiegen die Temperaturen zum Wochenanfang auf 40 Grad. Gegen Mitternacht waren es immer noch 30 Grad. An den Strand zu fliehen, macht auch wenig Sinn, denn entlang der Mittelmeerküste und auf den Balearen erreicht das Thermometer ebenfalls Spitzenwerte. Für die Arbeit im Freien gelten Einschränkungen. Mit Sorge schauen die Verantwortlichen auf die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag, die Ministerpräsident Pedro Sánchez aus politischem Kalkül um ein halbes Jahr vorgezogen hat, vom Winter in den Hochsommer. Die Gemeinden haben in den letzten Tagen mobile Kühlgeräte und Ventilatoren aufgetrieben sowie massenweise Wasserflaschen. Im südlichen Andalusien verbietet die regionale Gesetzgebung, im Juli und August Landeswahlen abzuhalten. Diese Schutzmaßnahme für die Gesundheit gilt jedoch nicht für die nationalen Parlamentswahlen. Die Briefwahl hat einen Rekord erreicht, was freilich auch daran liegt, dass sich viele Menschen von Sánchez Vorverlegung nicht den Sommerurlaub verderben lassen wollten.

Inwiefern sich die Hitzewelle auf das Ergebnis auswirkt, muss sich zeigen. Mancher Wähler könnte bei den 40 Grad Celsius Zweifel beim Wahlprogramm von Vox bekommen. Wie Rechtspopulisten anderswo auf der Welt leugnet die Partei von Santiago Abascal den menschengemachten Klimawandel. In ihrem Programm fordert Vox den Ausstieg Spaniens aus dem Pariser Klimaabkommen, eine „Revision“ des European Green Pact und eine Abkehr vom Verbot von Verbrennerautos ab 2035. Sánchez habe sich die „radikale ökologische Agenda“ aufschwatzen lassen, von „globalen Eliten“ und „grünen Lobbies“ in Brüssel, steht in dem Dokument. Außerdem plant Vox die Abschaffung von staatlichen Wetterdiensten. Das ist zwar Teil des Vorschlags, öffentliche Institutionen auszudünnen. Doch Meteorologen und Umweltschützer glauben, dass die Rechten die Berichterstattung über die Extremwetterphänomene und die Auswirkungen des Klimawandels für die Menschen unterbinden wollen.

Wie sich die Umweltpolitik von Vox konkret auswirkt, ist vielerorts bereits zu spüren. Nach den kommunalen und regionalen Wahlen vom 28. Mai hat die konservative Volkspartei (PP) in rund 140 Gemeinden Koalitionen mit Vox geschmiedet. In einigen Provinzhauptstädten soll nun sofort wieder mehr Platz für den Autoverkehr geschaffen werden. Dafür sollen Radwege wieder entfernt werden. Eine dieser Städte ist Valladolid, die Hauptstadt von Kastilien-León. Ausgerechnet dort fand letzte Woche das Treffen der Umwelt- und Transportminister statt im Rahmen des halbjährigen spanischen Vorsitzes des EU-Rates. Der für Klimaschutz zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, nutze die Bühne in Valladolid für ein Plädoyer für das Fahrrad. Radfahren sei „weder rechts noch links“, sondern vielmehr „Familienpolitik“, erklärte der Niederländer. Die Familie steht auf der Prioritätenliste von Vox weit oben.

Nach den letzten Umfragen kann Vox darauf hoffen, auch in Madrid Koalitionspartner der Konservativen zu werden. Die PP nimmt den Umweltschutz zwar ernst. Doch viele konkrete Vorschläge hat man nicht zu bieten, abgesehen von der Verlängerung der Laufzeiten der Atommeiler. Der Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo kämpft an anderen Fronten. Er verzettelte sich am Montag in einem Interview im Staatsrundfunk RTVE, als die Moderatorin seine Aussagen über die Rentenanpassung zu Zeiten früherer PP-Regierungen widerlegte. Feijóo räumte später auf Twitter indirekt seinen Fehler ein. Doch seine rechte Hand, Esteban Gonzaléz Pons, schoss auf derselben Plattform scharf gegen den Staatssender. Er hoffe, dass RTVE “die Wahlen verlieren” werde und danach die Verantwortlichen zurücktreten. Für Feijóo war das Interview der letzte Auftritt in RTVE. An der Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten der vier größten Parteien am Mittwoch nimmt der Konservative nicht teil. Der Sender will das Rednerpult der PP leer lassen.

Von Thilo Schäfer

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