Es lebe der Pragmatismus
Euro-7-Abgasnorm
Es lebe der Pragmatismus
Von Stefan Reccius
Eine Niederlage für die Bundesregierung, ein Gewinn für politischen Pragmatismus: Die EU-Staaten haben sich mehrheitlich auf einen Kompromiss zur Schadstoffklasse Euro 7 verständigt. Die spanische Ratspräsidentschaft hat mit der Einigung einen bemerkenswerten und keineswegs selbstverständlichen Erfolg erzielt. Zumal der Kompromiss ohne Zustimmung, ja unter Protest Deutschlands zustande gekommen ist.
Wie kaum ein Gesetzesakt steht der Euro-7-Vorschlag der EU-Kommission sinnbildlich für den Zielkonflikt einer Politik, die gut für Klima und Gesundheit ist, ohne eine gesamtwirtschaftlich bedeutsame Industrie wie die PS-Branche zu überfordern. Dafür muss jede Regelung verhältnismäßig sein. Das war bei den Grenzwerten, die der EU-Kommission vorschwebten, nicht der Fall.
Beim Verbrenner handelt es sich – aus guten Gründen – um eine aussterbende Technologie. Die EU-Gesetzgeber haben sie mit einem Ablaufdatum versehen: Ab 2035 dürfen keine Autos mit konventionellem Antrieb mehr auf die Straße. Vor diesem Hintergrund muss die Autoindustrie Kräfte und Kapital bündeln, um Investitionen und Intellekt in die Wende zur E-Mobilität zu stecken.
Interessanterweise tritt der europäische Verband der Automobilzulieferer für "ambitionierte" Euro-7-Normen ein – und lässt durchblicken, dass es sehr wohl bereits marktreife Systeme zur Abgasreinigung gibt, um strengere Abgasvorschriften zu erfüllen. Bis 2035 kämen schließlich noch schätzungsweise 100 Millionen Verbrenner in der Europäischen Union auf den Markt. Von daher kann man es getrost als Bluff abtun, wenn der Autoverband Acea neben der angebrachten Erleichterung auch jetzt noch vor anhaltend hohem Kostendruck durch Euro 7 warnt.
Es ist nun absehbar, dass Euro 7 im Kern die – im internationalen Vergleich fortschrittlichen – Grenzwerte von Euro 6 fortschreibt. Haben die EU-Staaten Euro 7 deshalb zu einem ambitionslosen Etikettenschwindel verwässert? Nein. Für Busse und Lkw werden die Abgastests strenger. Es gelten Mindestvorgaben für Leistung und Lebensdauer von Akkus und Autos. Und erstmals überhaupt werden CO2-Emissionen von Reifenabrieb und Bremsen einbezogen.
In der Bundesregierung ist trotzdem keiner der Beteiligten zufrieden. Mehr als über den angeblich unambitionierten Euro-7-Kompromiss verrät das über die Berliner Verhandlungsführung, denn die ist auf ganzer Linie gescheitert. Denn Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ist auch noch mit seinem Versuch gescheitert, über den Umweg Euro 7 Fakten in Sachen E-Fuels zu schaffen.