Notiert in SchanghaiKönig der Früchte

Es riecht nach Durian-Diplomatie

Die Durian ist geheimnisvoll und geruchsintensiv. In China wächst die Fangemeinde, was die Handelsbeziehungen mit Südostasien auf vielschichtige Weise befruchtet.

Es riecht nach Durian-Diplomatie

Es riecht nach Durian-Diplomatie

Notiert in Schanghai

Von Norbert Hellmann

Hassliebe trifft es wohl am besten. Der in ihrer Unförmigkeit und Geruchsausprägung monströs daherkommenden Durian-Frucht steht kaum jemand völlig neutral gegenüber. Die einen scheuen keine Ausgaben, um sich einem unverwechselbaren und exquisiten Geschmackserlebnis hinzugeben. Die anderen scheuen jeden Kontakt mit der tatsächlich einzigartigen olfaktorischen Herausforderung. Um sie zu beschreiben, landet man irgendwo zwischen verfaulten Eiern, vergammelten Zwiebeln und überreifer Ananas.

Wer Durian nicht mag, kann nur hoffen, dass keiner auf die Idee kommt, der chinesischen Obstpräsent-Tradition folgend mit einer liebevoll in Cellophan eingehüllten und mit Schleifchen versehenen Durian auf der Matte zu stehen. Es droht ein langer Abend zu werden, der hochgradiges diplomatisches Geschick erfordert. Da hält man nun das unförmige grünlich-braun genoppte Monstrum mit dem Gewicht einer Bowling-Kugel im Arm, kann sich nicht gleichzeitig die Nase zuhalten und muss den Gesichtsausdruck vom blanken Entsetzen nahtlos in gespielte Freude über die geschmackvolle und aufmerksame Gabe wechseln. Die Dinger kosten nämlich richtig Geld. Edelgewächse erzielen im Einzelhandel Preise von umgerechnet bis zu 25 Euro je Kilo. Dabei drückt die dicke, nicht verzehrbare Rinde voll auf die Waagschale.

Bei der Durian hängen Schmelz und Aromaentfaltung vom Reife- bzw. Verwesungsgrad ab. Im optimalen Verkostungszustand erreicht das Innere eine puddingcremeartige Konsistenz, die den Gourmet in Ekstase und den Banausen in Ekelzustände versetzt.

Es gibt Dutzende von Typenbezeichnungen, denen der Durian-Snob Geschmacksmerkmale zuzuordnen weiß. Da wäre zum Beispiel die als Designer Durian gefeierte Musan King aus Malaysia mit dem ganz besonders butterigen süß-bitter untermalten Gaumengefühl. Bei Black Thorn paart sich seidenweiche Textur mit vielschichtiger Aromakomplexität. Golden Bun besticht durch ein kaleidoskopisches Geschmackserlebnis mit Bitterschokolade im Abgang. Golden Phenix fasziniert bei eher bleichem Fruchtfleisch durch lange währende adstringente Noten. Am unteren Ende der Preisskala steht die von Kennern eher verachtete Golden Pillow aus Thailand. Sie schmeckt einfach nur süß und stinkt vor sich hin, ist bereits für 8 Euro das Kilo zu haben und als Geschenk eher ungeeignet.

Zwischen Mai und August ist Hauptsaison für den König der Früchte. Tiktok strotzt vor Durian-Clips und die Online-Bestellungen boomen. Und auch die Handelsbilanz zwischen dem südostasiatischen Raum und China wird beeinflusst. Die Durian ist nämlich ein gewichtiges handelspolitisches Thema. Länder wie Malaysia, Philippinen, Thailand und Vietnam balgen sich darum, in der Gunst Pekings so weit oben zu stehen, dass sie ohne Handelshemmnisse nach China liefern dürfen.

In Chinas Außenministerium hat man die Durian-Szene denn auch fest im Blick und setzt sie als diplomatische Waffe ein. Wer sich im Gerangel um Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer einigermaßen konziliant verhält, wird im Zweifelsfall mit einem feierlichen Durian-Handelsdeal belohnt. Wenn umgekehrt Gespräche nicht zufriedenstellend verlaufen, verliert der Außenminister kein Wörtchen über die köstlichen Stinkbomben, brummelt aber etwas zu chinesischen Lebensmittelstandards. Schon drohen schmerzliche Handelsschikanen. Für dieses Jahr wird der Importwert auf 3 Mrd. Dollar veranschlagt, höher als bei jeder anderen Obstkategorie.

Hören wir einmal, wie Xie Kankan, Professor für Südostasien-Studien an der Peking-Universität, zum Thema Durian-Diplomatie referiert: „Sie ist eine Frucht, die Südostasiens Identität repräsentiert. Damit hat der Durian-Handel eine kulturelle und symbolische Bedeutung, mit der eine spezielle Freundschaftsbeziehung zwischen China und einer Region hervorgehoben werden kann, die über das wirtschaftliche Engagement weit hinausgeht.“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

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