Espanya, Espainia, España
Notiert in Madrid
Espanya, Espainia, España
Von Thilo Schäfer
Im altehrwürdigen Palacio de las Cortes, dem Sitz des spanischen Unterhauses, gab es am Dienstag eine kontroverse Neuerung. In dem Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil der Klassizismus erbauten Gebäude wurden an die Abgeordneten Hörgeräte für Simultanübersetzungen verteilt und zum selben Zweck zwei Bildschirme im Saal angebracht. Denn erstmals in einer Parlamentsdebatte wurden neben dem Kastilisch auch die anderen drei kooffiziellen Landessprachen zugelassen: Katalanisch, Galizisch und Baskisch. Diese duften bislang legal nur im Senat verwendet werden. Doch die Sozialisten von Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez und der Koalitionspartner von den Linken einigten sich mit den diversen nationalistischen Parteien auf eine Änderung des Regelwerks im Unterhaus. Die Mehrheit der Redner machte reichlich Gebrauch von der neuen Mehrsprachigkeit, während andere das biblische Bild vom Turm von Babel herbeiredeten.
Die 33 Parlamentarier der rechtsextremen Vox verließen demonstrativ ihre Sitze und hinterlegten die Hörgeräte am leeren Platz von Regierungschef Sánchez, der bei der UNO in New York weilte. Doch auch die konservative Volkspartei PP machte ihre Ablehnung der Maßnahme deutlich, obwohl sie generell nicht gegen den Gebrauch der regionalen Sprachen ist. Ihr Sprecher Borja Sémper wechselte in seiner Rede ein paar Mal vom Kastilisch ins Baskische seiner Heimat. Doch seine Parteifreunde lauschten von den Bänken ohne Simultanübersetzung, da sie die Ohrstöpsel aus Protest nicht aufsetzten. Dabei ist der PP-Vorsitzende und Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo aus Galicien, wo er vor seinem Wechsel nach Madrid im letzten Jahr lange Jahre regiert hatte und regelmäßig Galizisch sprach. Es geht den Konservativen nicht um die Kosten für die Übersetzung, welche das Parlament bis Ende des Jahres auf rund 280.000 Euro berechnet. Sie sehen in der Neuerung vor allem ein weiteres Zugeständnis von Sánchez an die Nationalisten, vor allem in Katalonien, um sich mit deren Stimmen die Wiederwahl zum Ministerpräsidenten zu sichern.
Der Kulturkampf um die Sprachen ist in Spanien nichts Neues, doch hat er sich verschärft, nicht zuletzt durch den politischen Aufstieg von Vox. Die Rechtsextremen sitzen seit den Regionalwahlen im Mai vielerorts als Juniorpartner der PP mit in der Regierung. In Valencia und Aragón sollen Subventionen für Projekte auf Katalanisch abgeschafft werden. Auf den Balearen müssen Bewerber für das öffentliche Gesundheitssystem nun keine Katalanisch-Kenntnisse mehr mitbringen, um somit den Personalmangel zu beheben. Kritiker meinen allerdings, dass weniger diese Anforderung als vielmehr die horrenden Mieten und Lebenskosten auf den Inseln Sanitäter vom Festland abschrecken.
Wie im spanischen Unterhaus, soll nach dem Willen der Sánchez-Regierung auch in der Europäischen Union das Katalanisch, Baskisch und Galizisch offiziell anerkennt werden. Außenminister José Manuel Albares verteidigte einen entsprechenden Antrag am Dienstag höchstpersönlich in Brüssel im Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen. Der Vorstoß der Spanier, die gerade den turnusgemäßen Vorsitz des EU-Rates bekleiden, stößt bei den übrigen Mitgliedern nicht unbedingt auf Begeisterung. Schließlich gibt es in Europa dutzende Sprachen, aber nur 24 werden bislang als Arbeitssprachen der EU anerkannt. Das gilt für Sprachen, die in ihrem Staat landesweit gelten. Katalanisch ist jedoch nur in Katalonien, Valencia und auf den Balearen Amtssprache. Albares verwies jedoch darauf, dass „catalán“ auch in Frankreich und Italien als regionale Minderheitssprache anerkannt ist und insgesamt von zehn Millionen Menschen gesprochen wird, mehr als die Sprachen des Baltikums. Die europäischen Nachbarn erbaten Zeit, um die legalen und organisatorischen Folgen einer Anerkennung zu prüfen. Albares feierte, dass es kein immerhin Veto gab. Gegenüber den katalanischen Separatisten hat man mit Blick auf die Wahl von Sánchez seine Pflicht getan.