Leitartikel Kampf gegen US-Banken

Europas Banken setzen zur Aufholjagd an

Nicht nur die neue Schweizer Megabank stellt die These von der strukturell bedingten Überlegenheit der US-Institute in Frage.

Europas Banken setzen zur Aufholjagd an

Banken

Europa setzt zur Aufholjagd an

Nicht nur die neue Schweizer Megabank stellt die These von der strukturell bedingten Überlegenheit der US‑Institute in Frage.

Von Anna Sleegers

Das Gastspiel der NFL in Frankfurt zeigt eindrucksvoll, dass Europa beim American Football in jeder Hinsicht zweite Liga ist. Doch auch ohne Taylor Swift befand sich die Stadt im Ausnahmezustand. Und von drei Millionen nachgefragten Tickets für gerade einmal 50.000 Plätze im Waldstadion kann die auch im Umland heiß geliebte Eintracht nur träumen – wenn es nicht gerade mal wieder um einen Platz im Pokalfinale geht. Ganz zu schweigen von den Frankfurt Pirates, laut Wikipedia der einzige Verein in der Mainmetropole, der selbst Nachwuchsarbeit im American Football und Cheerleading betreibt.

Es ist noch gar nicht lange her, da schienen sich auch viele Bankerinnen und Banker zu fühlen, als ob sie eine Randsportart betreiben, die auf der anderen Seite des Atlantiks eine ganz andere Nummer ist. Nach der Finanzkrise von 2008, von der sich die zwangskapitalisierten US-Banken sehr viel schneller erholten als die europäischen Wettbewerber, die sie mit in den Strudel der Subprime-Krise gerissen hatten.

Trauer über verlorenen Glanz

In Deutschland, wo in der einen Großbank der Bund als Großaktionär und in der anderen die angelsächsisch geprägten Investmentbanker nach der Krise das Sagen hatten, hielt sich das Narrativ von der strukturell bedingten Überlegenheit der US-Banken besonders gut. Anders als in Spanien und anderen europäischen Ländern, deren Banken sich auf das Geschäft und die regionale Diversifizierung konzentrierten, trauerte man lange dem verloren gegangenen Glanz der Deutschen Bank nach. Die landestypischen Freude an der Selbstzerfleischung ist auch der Finanzbranche nicht fremd.

Um zu begründen, dass die hiesigen Geldhäuser gar nicht erst versuchen müssten, sich mit der US-Kreditwirtschaft, geschweige den "Big Five" der Wall-Street-Banken zu messen, musste wahlweise die vermeintlich unfaire Konkurrenz durch die Sparkassen auf dem Heimatmarkt, die Kapitalmarktaversion der europäischen Unternehmen, die ungleich kleineren IT-Budgets, die strengere Regulierung oder die noch immer unvollendete Bankenunion herhalten.

Und das sind strukturelle Nachteile, keine Frage. Spätestens die Pleitewelle der Regionalbanken im Frühjahr, die Flaute im Beratungsgeschäft und andere Folgen des veränderten Zinsumfelds machen jedoch deutlich, dass auch in den USA nicht bloß Milch und Honig fließen. Gleichzeitig begann sich die im Vergleich zu den USA zeitverzögerte Rückkehr der Zinsen im Euroraum in den Bankbilanzen niederzuschlagen.

Gewinnsprünge dank Zinseinnahmen und Effizienzprogrammen

Deutsche Bank, Unicredit, Commerzbank, ING, Nordea, Caixabank und BayernLB: Nahezu alle europäischen Großbanken verzeichneten in den ersten neun Monaten des Jahres Gewinnsprünge. Ganz zu schweigen von der UBS, die durch die Notübernahme der Credit Suisse zur ersten europäischen Bank amerikanischer Kragenweite angewachsen ist.

Das ist zum Teil den schmerzhaften Restrukturierungsprozessen geschuldet, die viele Häuser in den vergangenen Jahren hinter sich gebracht haben. Vor allem aber ihren Geschäftsmodellen, die angesichts des unterentwickelten Kapitalmarkts häufig stärker auf den Zinserträgen basieren als die ihrer US-Wettbewerber. Das relativiert die These von den vermeintlich unüberwindlichen strukturellen Nachteilen der hiesigen Branche.

Europas Banken machen sich für Investoren interessant

Natürlich reichen ein paar starke Quartale nicht aus, um den Vorsprung der US-Banken wettzumachen. Letztere sollten sich aber auch nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Denn auffallend viele Banken machen zurzeit genau das Richtige, indem sie neben Dividendenausschüttungen auch Aktienrückkaufprogramme auflegen, um sich auch außerhalb von Europa für Investoren interessant zu machen.

Statt zu jammern, dass der Wettbewerb bessere Rahmenbedingungen hat, setzt die europäische Branche zur Aufholjagd an. Das ist kein vergebliches Unterfangen, denn so wie Frankfurt die NFL feiert, können sich viele Amerikaner für den in den USA noch immer etwas exotischen Soccer begeistern.

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