Notiert inBrüssel

Europas bekanntestes Feuchtgebiet

In Frankfurt sommerlich trocken, in Brüssel monsunartiger Regen: Dass Brüssel als besonders niederschlagreich wahrgenommen wird, liegt auch daran, dass Wasser in Belgiens Hauptstadt nicht gut abläuft.

Europas bekanntestes Feuchtgebiet

Notiert in Brüssel

Europas bekanntestes Feuchtgebiet

Von Detlef Fechtner

Überwiegend freundlich“, lautete vorigen Dienstag die Wettervorhersage für Frankfurt. Und in der Tat war ich froh, dass ich auf Sakko oder Anorak verzichtet hatte, als ich zum Hauptbahnhof eilte, um den Zug nach Brüssel zu nehmen, da die Temperaturen bereits frühmorgens sommerlich waren. Bis Leuven, also bis kurz vor dem Ziel, brannte die Sonne ins Abteil – aber irgendwo zwischen Zaventem und Schaerbeek, also unmittelbar vor dem Brüsseler Nordbahnhof, hatte Petrus eine Wetterscheide eingebaut. Es goss in Strömen. Und zwar nicht nur für ein paar Minuten, sondern letztlich bis zum späten Abend. Eine Art belgischer Monsun.

Brüssel zählt – nach weitgehend übereinstimmenden Angaben im Internet – 190 Regentage im Jahr. Zum Vergleich: Die Wetterstation neben dem Frankfurter Flughafen registriert demgegenüber gerade mal 111 Tage mit Niederschlag. Auch anderswo in Deutschland liegt die Zahl meist niedriger. Ausnahme: Regensburg (sic!).

Mehr noch als die meteorologischen Statistiken zeugen aber die Erzählungen der Menschen in Brüssel davon, dass die Stadt zu Europas Feuchtgebieten gezählt werden sollte. Das dürfte wiederum daran liegen, dass man Regen in Brüssel heftiger spürt als andernorts. So wurde ich zum Beispiel bei einem – nicht mal von besonders ergiebigem Regen begleiteten – Gewitter mit dem Fahrrad im Woluwedal jäh gestoppt, weil die Wassermassen in einer Senke den Radweg in einen veritablen Teich verwandelt hatten: Selbst die Flügelschrauben waren unter Wasser.

Dass Brüssel einige Defizite beim Ablauf von Regenwasser hat, wird wahrscheinlich nicht einmal die Stadtverwaltung bestreiten. Ein wichtiger Tipp für alle, die bei Regen zu Fuß Richtung Ratsgebäude oder Kommissionszentrale unterwegs sein sollten: An Tagen mit Niederschlägen bildet sich ungefähr auf Höhe des Lex-Gebäudes auf dem linken Streifen der fünfspurigen Rue de la Loi eine lagunengroße Pfütze. Dann kann man beobachten, wie regenschirmbepackte EU-Beamte in Anzügen oder Kostümen das Trottoir entlang spurten, um ja nicht von einem der vorbeirasenden Autos in meterhohem Strahl mit Pfützenwasser im wahrsten Sinne nass gemacht zu werden.

Außerdem sollten Fußgänger darauf achten, dass sie nicht auf eine der vielen wackligen Platten auf den schlecht verbauten Bürgersteigen treten. Denn dann riskiert man, eine Fontaine aus Wasser und Matsch auszulösen, die sich gemeinhin über das ganze Hosenbein erstreckt. Fahrradfahrern wiederum sei ans Herz gelegt, an heftigen Regentagen besonders vorsichtig die Grand Place zu passieren und auch auf den angrenzenden Gassen der Innenstadt das Tempo zu drosseln. Schließlich dominiert in Brüssels Stadtmitte das Kopfsteinpflaster, das Radfahren bei Regen schnell zu einer Rutschpartie werden lässt. Nicht umsonst gilt Lüttich – Bastogne – Lüttich als einer der riskantesten Radrenn-Klassiker der Welt. Der Straßenbelag dort stammt bestimmt vom selben Zulieferer wie in Brüssel-Centrum.

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