LeitartikelInvestmentbank

Exodus von Führungskräften als Gefahr für Goldman

Goldman Sachs will den eigenen Aktienkurs durch eine ambitionierte Neuausrichtung ankurbeln. Doch die Abgänge zahlreicher Führungskräfte gefährden den Erfolg der Strategie.

Exodus von Führungskräften als Gefahr für Goldman

Goldman Sachs

Solomons Drahtseilakt

Von Alex Wehnert

Der Exodus von Spitzenkräften gefährdet eine erfolgreiche Neuausrichtung der US-Investmentbank Goldman Sachs.

Die Reorganisation von Goldman Sachs ist für CEO David Solomon ein Drahtseilakt – der Wegfall wichtiger Balance-Hilfen gefährdet den Erfolg inzwischen erheblich. Denn die Investmentbank ringt inmitten einer strategischen Wende mit einem Exodus von Spitzenmanagern. Als besonders schmerzhaft gelten die Abgänge von Führungskräften im Asset- und Wealth Management sowie in der Abteilung für alternative Investments, hat Goldman eine stärkere Präsenz in diesen Geschäftsbereichen doch eigentlich als Treiber für die Aktie ausgemacht. Die direkte Konkurrenz ist hinsichtlich der Bewertung in den vergangenen Jahren schließlich enteilt.

Dass sich mit Julian Salisbury ausgerechnet der Chief Investment Officer der Vermögensverwaltung Ende Juli der Anlagegesellschaft Sixth Street angeschlossen hat, ist ebenso bezeichnend wie der im Februar vermeldete Abschied des Alternatives-Co-Präsidenten Mike Koester. Die Liste der prominenten Abgänge in den vergangenen Monaten lässt sich fast beliebig fortsetzen: Zu Beginn der laufenden Woche sickerte durch, dass der leitende Rohstoffanalyst Jeff Currie das Geldhaus verlässt, bereits Ende Mai wurde der Abgang von Dina Powell McCormick bekannt. Die ehemalige US-Regierungsberaterin war als Sovereign-Chefin für die Beziehungen von Goldman zu Staatsfonds zuständig und gilt als eine der profiliertesten Managerinnen der Wall Street.

Der Exodus von Spitzenkräften ist Ausdruck eines komplexen Problems: Denn die anhaltende Flaute im Kapitalmarktgeschäft sorgt dafür, dass das Geldhaus zuletzt keine so hohen Vergütungen mehr bieten konnte wie in den Jahren zuvor. Die Investment-Banking-Erlöse von Goldman, die bereits seit Anfang 2022 erheblich unter Druck stehen, sackten im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahr um weitere 20% ab. Und wenngleich Solomon zuletzt “grüne Triebe” in der Kapitalmarktaktivität ausgemacht haben will und in den USA zuletzt einige Firmen starke Börsendebüts hingelegt haben, ist eine nachhaltige Erholung angesichts der hohen Zinsniveaus doch weder bei IPOs noch bei Fusionen und Übernahmen absehbar.

Mit einer anhaltenden Schwäche dürften weitere Belastungen für die Profitabilität einhergehen. Die Eigenkapitalrendite von Goldman brach zuletzt auf 4% ein. Bankvertreter mögen zwar auf Sondereffekte wie eine Wertminderung von Immobilieninvestments oder Abschreibungen in Verbindung mit dem Consumer Banking verweisen. Doch Fakt ist: Goldman läuft Konkurrenten wie Morgan Stanley nicht nur an der Börse, sondern auch in Bezug auf die Rentabilität schon lange hinterher.

Die Reorganisation von Goldman ist daher zwar nicht nur vernünftig, sondern sogar dringend nötig. Doch schafft sie mit Blick auf die Personalsituation auch zusätzliche Probleme. Denn selbst auf Partnerebene herrscht offenbar viel Unsicherheit über die zukünftige Rollenverteilung bei der Bank. Dies macht wohl selbst Angebote kleinerer und spezialisierter Adressen attraktiver: Sovereign-Chefin Powell McCormick etwa hat sich der Merchant Bank BDT & MSD angeschlossen. Auch diese Entwicklung dürfte nicht dazu beitragen, die Wahrnehmung von Goldman bei Investoren zu verbessern – was jedoch eines der Kernziele der Reorganisation ist.

Die Situation wird für Solomon undankbarer, je mehr sich der Exodus beschleunigt. Denn er kann Leistungsträger dann wohl nicht nur in geringerem Maß mit finanziellen Anreizen zum Bleiben bewegen. Es brechen darüber hinaus auch wichtige Mentoren für aufstrebende Talente weg. Sicher, es dürften weiter genügend hungrige Banker bereitstehen, um die Lücken zu füllen. Das verlorene Fachwissen ist jedoch nicht so einfach zu ersetzen. Goldman will nun zwar gegensteuern und holt den erfahrenen Krisenmanager Russell Horwitz zurück, der als Chief of Staff die Außendarstellung der Bank steuern und den Einfluss des Geldhauses in Regierungskreisen wahren soll. Allerdings gilt er als Vertrauter von Ex-CEO Lloyd Blankfein, der sich zuletzt dem wachsenden Chor murrender Stimmen zu seinem Nachfolger Solomon angeschlossen haben soll. Die Personalie wirkt wie ein Zeichen dafür, dass einige Stränge des Drahtseils, auf dem der aktuelle Vorstandschef balanciert, bereits gerissen sind.

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