LeitartikelZahlungsverkehr

EZB mit digitalem Euro zum Erfolg verdammt

Die Banken schauen argwöhnisch auf die Pläne der EZB zur Einführung eines digitalen Euros. Der kommt sicher nicht als Schmalspurprojekt. Wichtige Details stehen noch aus.

EZB mit digitalem Euro zum Erfolg verdammt

Auch wenn viele mit dem Gedanken noch fremdeln: In etwa vier Jahren werden die Menschen neben dem physischen Bargeld auch optional mit einem digitalen Euro bezahlen können. Mit dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission steht ein Rahmen für die Digital-Version der Gemeinschaftswährung, dem im Rat noch die EU-Staaten und das EU-Parlament zustimmen müssen. Umwälzungen sind dabei nicht zu erwarten, doch nehmen die Gesetzgeber womöglich noch Feinschliff vor an sensiblen Punkten wie anonymen Zahlungen und dem Limit an Guthaben.

Das Limit ist für die Banken eine elementare Frage, sehen sie doch ihre Einlagenbasis gefährdet, wenn das Szenario eines großzügigen Rahmens von 3.000 Euro pro Bürger so umgesetzt würde. Maximal 500 Euro pro Konto seien für die auf ihre Einlagenbasis angewiesenen Geschäftsbanken verkraftbar, so eine kursierende Modellrechnung aus der Branche. Das bringt die Europäische Zentralbank (EZB) in ein Dilemma, denn die EU-Kommission ließ der Notenbank die Freiheit, die Obergrenze selbst zu definieren. Das ist allerdings auch richtig so, denn es darf keine politische Entscheidung sein, ein solches Limit zu setzen – welche Größe richtig ist, wird sich erst mit Integration des digitalen Euro in den Zahlungsverkehr und damit in das Bankensystem an sich in der Praxis zeigen. Möglicherweise muss hier später nachgesteuert werden.

Eines sollte sich die Kreditwirtschaft abschminken: Eine Schmalspurversion der Central Bank Digital Currency (CBDC) kann sich die EZB nicht leisten, denn der digitale Euro ist zum Erfolg verdammt – dafür braucht es ein ordentliches Volumen in der Wallet, um nicht nur Mikrotransaktionen wie für eine Packung Kaugummi am Kiosk abzuwickeln. Was die schon so häufig gestellte Frage nach dem Mehrwert auf die Agenda bringt. Dabei geht es analytisch um einen zusätzlichen Nutzwert, der von EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness eher weich umrissen wurde: Ein digitaler Euro wäre demnach ein Beitrag zur finanziellen Inklusion für Menschen ohne Bankkonto und würde in Europa die Innovationskraft stärken.

Das hört sich zunächst dünn an, aber dahinter steckt mehr. Denn der digitale Euro wird mit der Instant-Payment-Struktur verknüpft, die auch die Basis für die im Aufbau befindliche European Payment Initiative (EPI) darstellt. Aus diesen Zutaten soll eines fernen Tages ein echtes europäisches Payment-System entstehen, das perspektivisch Visa und Mastercard obsolet macht.

Nebulös erscheint die Option für anonyme Zahlungen, was wohl allein über Offline-Zahlungen von Smartphones geregelt werden soll. Da ist zur Vorsicht zu raten, erscheint es doch nicht unmöglich, dass Cybergangster über die Triangulation von Mobilfunkdaten und E-Commerce-Kontaktpunkten Zahlungen entschlüsseln können. Hier sollte sich die EZB mit Experten beraten und tunlichst einen technologieoffenen Prozess aufsetzen – eine Verschlüsselung per Quantenalgorithmen könnte eine zusätzliche Option darstellen. Da die punktuelle Anonymität von Zahlungen analog zum Bargeld eine entscheidende Komponente für die Akzeptanz darstellt, darf es an der Stelle keine Fehler geben.

Dabei muss es kein Nachteil sein, dass sich mit Fabio Panetta der Projektverantwortliche der EZB zur italienischen Notenbank Banca d’Italia verabschiedet. Die Konsultation zur Retail-CBDC war, moderat ausgedrückt, suboptimal verlaufen. Immerhin bröckelt bereits die latent ablehnende Haltung zum Einsatz von Distributed-Ledger-Technologie (DLT). Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt hatte sich Ende Juni die “New Technologies for Wholesale Settlement Contact Group” konstituiert mit Holger Neuhaus, Abteilungsleiter in der Generaldirektion Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr der EZB, an der Spitze. In der Expertengruppe mit den Banken will die Notenbank erkunden, wie sich eine Wholesale-CBDC für den Interbankenbereich vor allem im Wertpapier-Settlement gestalten ließe. Damit würde man sich für tokenisierte Assets rüsten, was die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) schon skizziert hat und gern als Plattform bei sich ansiedeln würde. Die Notenbanken, sie bewegen sich.

Mit digitalem Euro zum Erfolg verdammt

Von Björn Godenrath

Die Notenbanken marschieren schnurstracks auf die Einführung von digitalem Zentralbankgeld zu. Der Teufel steckt im Detail.

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