LEITARTIKEL

Feldzug eines Kabelriesen

Als Kabelmagnat John Malone 2003 mit seinem großen Wurf - der Übernahme des Telekom-Kabelnetzes in Deutschland - scheiterte, schien die Botschaft ganz klar: Das Kabel sollte als alternative Infrastruktur zum Telekom-Netz in wettbewerbsfreundlicher...

Feldzug eines Kabelriesen

Als Kabelmagnat John Malone 2003 mit seinem großen Wurf – der Übernahme des Telekom-Kabelnetzes in Deutschland – scheiterte, schien die Botschaft ganz klar: Das Kabel sollte als alternative Infrastruktur zum Telekom-Netz in wettbewerbsfreundlicher Struktur aufgebaut werden, ein Duopol in Gestalt eines Telekom- und eines Kabelriesen sollte verhindert werden. Seither haben besonders die deutschen, aber auch die europäischen Kartellbehörden die Konsolidierungsbemühungen in beiden Branchen sehr restriktiv begleitet, im Telekomsektor allerdings mehr noch als beim Kabel. Hier haben die Wettbewerbshüter angesichts der zunehmenden Konvergenz der Medien- und Telekommunikationsmärkte – Kabelgesellschaften bieten Telefonie und Internet, Telekomunternehmen Internet-TV – ihre Marktbeurteilung geändert, mit der Folge, dass auch Zusammenschlüsse der großen Kabelunternehmen möglich wurden.Malone hat mit seinem internationalen Arm Liberty Global bereits 2009 die Gunst der Stunde genutzt. Der Kabelriese verleibte sich Unitymedia ein, die zuvor von BC Partners aus den hessischen und nordrhein-westfälischen Kabelgesellschaften zusammengefügt worden war. Nur zwei Jahre später fügte Liberty einen weiteren Baustein hinzu: Nach zähem Ringen mit den Kartellbehörden schluckte Unitymedia den Konkurrenten Kabel Baden-Württemberg. Seither halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Malone an einem Gebot für Kabel Deutschland strickt. Auch außerhalb Deutschlands hat Liberty Global geradezu einen europäischen Feldzug gestartet. Größter Coup war die Übernahme des britischen Pay-TV-Anbieters Virgin Media für insgesamt 23 Mrd. Dollar inklusive Schulden, für die die Wettbewerbshüter just grünes Licht gegeben haben. Virgin Media ist in Großbritannien die Nummer 2 hinter BSkyB. Darüber hinaus lancierte Liberty Global eine Offerte für die ausstehenden Aktien an der belgischen Tochter Telenet und stockte so ihren Anteil auf knapp 59 % auf.Nicht zuletzt überraschte der Konzern vor einem Monat mit dem Einstieg beim niederländischen Kabelnetzbetreiber Ziggo, an dem Liberty Global nun ein Paket von 12,65 % hält, dies obwohl die Amerikaner bereits den Wettbewerber UPC kontrollieren, der Marktführer in Holland ist. Dieser letzte Schritt erweckt geradezu den Eindruck, als würde der Kabelriese bei Kartellbehörden unterm Radarschirm durchgehen.Allerdings ist das nicht die einzige Begünstigung, die die Amerikaner erfahren. Das äußerst krisenresistente und ertragsstarke Geschäftsmodell der Kabelbranche hat es Liberty Global ermöglicht, sogar im Krisenjahr 2009, als größere fremdfinanzierte Übernahmen infolge ausgetrockneter Kredit- und High-Yield-Märkte kaum möglich waren, den Kauf von Unitymedia für immerhin 3,5 Mrd. Euro als Leveraged Buy-out zu strukturieren. Die nachfolgende Liquiditätsschwemme an den Märkten ebnete den Weg für den weiteren Feldzug. Schließlich sind die Investoren verzweifelt auf der Suche nach höher rentierlichen Anlagen, umso mehr, wenn diese auch noch relativ sicher sind.Der ungebremste Kaufrausch der Amerikaner hat Folgen für die gesamte Branche, die zumindest teilweise bedenklich stimmen. Zum einen zeichnet sich in wachsendem Maße die Dominanz eines Players mit erheblicher Preissetzungs- und Einkaufsmacht ab. Außerdem treibt der Akquisitionshunger von Liberty insgesamt die Preise der ohnehin schon relativ hoch bewerteten Kabel-Assets. Die wenigen notierten Kabelfirmen in Europa, primär Kabel Deutschland, Telenet und Ziggo, verdanken ihre Erfolgsgeschichte an der Börse ohne Zweifel zum guten Teil ihrer positiven operativen Entwicklung und den noch immer bestehenden Wachstumschancen einer Branche, die in Europa im Vergleich etwa zu den USA noch Nachholbedarf hat. Gleichwohl hat das omnipräsente Interesse von Liberty Global ebenfalls einen erklecklichen Anteil daran, dass die Kabelaktien an der Börse gesucht sind. Die Amerikaner erscheinen zudem – bei Bedarf – als lukrativer Notausgang für zahlreiche Private-Equity-Gesellschaften, die in europäische Kabel-Assets wie etwa Numericable in Frankreich oder Ono in Spanien investiert sind.Wird der Feldzug gestoppt, steht womöglich eine ganze Branche vor einer Bewertungskorrektur. Das sollten Kabelanleger im Auge haben. —–Von Heidi Rohde – An den Kapitalmärkten gern gesehen, bei den Kartellbehörden scheinbar unter der Wahrnehmungsschwelle: Der Kabelriese Liberty Media überrennt Europa blitzartig.—–