Finanzmarktakteure fiebern dem Zukunftsfinanzierungsgesetz entgegen
Im Blickfeld
Finanzmarktakteure fiebern Zukunftsfinanzierungsgesetz entgegen
Die Novelle der Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Deutschland geht in Berlin in die parlamentarische Beratung. Bis Jahresende soll das Gesetz stehen.
Von Angela Wefers, Berlin
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz will die Ampel-Regierung ernsthaft den deutschen Kapitalmarkt im internationalen Wettbewerb stärken. Die Zeit läuft: Bereits seit Mitte 2022 liegen Eckpunkte des Justiz- und des Finanzressorts der Bundesregierung auf dem Tisch. Das Gesetz wäre nach den ursprünglichen Plänen schon in Kraft. Aber es brauchte ein Jahr, bis die beiden FDP-geführten Ministerien von Christian Lindner und Marco Buschmann ihre Vorschläge in diesem Sommer durchs Kabinett brachten. Nun endlich beginnt die parlamentarische Beratung. "Wir haben verstanden, dass Deutschland einen neuen Impuls braucht", bekannte Finanzstaatsekretär Florian Toncar (FDP) jüngst bei einer Veranstaltung des Fondsverbands BVI in Berlin. Die Ampel-Regierung will mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz die Basis für neuen Wohlstand legen. Das ist auch dringend nötig. Die Wirtschaft schwächelt. Die Lage der öffentlichen Kassen ist angespannt. Klimawende, Fachkräftemangel und eine alternde Gesellschaft verbreiten alles andere als rosige Aussichten.
"Wir wollen, dass in unserem Land Ideen realisiert werden können", sagte Toncar. Erfolgreiche deutsche Unternehmen hatten für ihren Börsengang nicht Deutschland, sondern die USA angesteuert – Biontech, Curevac, Atotech und Birkenstock – oder auch, wie Linde, dem deutschen Markt den Rücken gekehrt. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll hierzulande die Kapitalbeschaffung über den Finanzmarkt für private Investoren erleichtern. Rund 90% der Investitionen kommen aus diesem Sektor.
Der Gesetzentwurf ist nach der ersten Lesung Ende September im Bundestag in die Ausschüsse überwiesen worden. Der Bundesrat hatte am Freitag seine Stellungnahme zum Zukunftsfinanzierungsgesetz im Plenum verabschiedet. Der Bundestag kann damit Wünsche und Forderungen der Länder in seine Beratungen aufnehmen. Bis Mitte November haben sich die Abgeordneten dafür Zeit gegeben. Mit der erforderlichen Zustimmung des Bundesrats könnte das Gesetz Anfang 2024 in Kraft treten, wenn alles glatt läuft.
Stimmungsumschwung in Berlin
Für die Finanzbranche bewegt sich mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz nach schweren Jahren erstmals wieder etwas nach vorn. Kein Wunder, dass ihre Akteure mit wenigen Ausnahmen der Modernisierung entgegenfiebern. Von 1990 bis 2002 hatten verschiedene Bundesregierungen mit vier Finanzmarktförderungsgesetzen den Kapitalmarkt dereguliert und den Finanzplatz Deutschland fit und international attraktiv gemacht. Nach dem Schock der Finanzkrise 2008 wendete sich die Stimmung. Finanzmarktnovellen bedeuteten: mehr Regulierung, strengere Auflagen, unermesslich viel Bürokratie und geschäftsbremsende Auflagen.
Der Fall Wirecard tat ein Übriges. BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter erinnerte jüngst in Berlin daran, dass Klagen der Branche über mangelnde Vorhaben zum Finanzmarkt in Wahlprogrammen oder Koalitionsverträgen von Politikern lange Zeit mit einem ironischen "Seien Sie froh!" quittiert wurden. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz bringt diese Bundesregierung nun erstmals wieder eine umfassende Gesetzesnovelle auf den Weg, die Erleichterung für den Finanzmarkt schaffen soll.
Hoffnung für den Kapitalmarkt
Die Finanzbranche sieht dem Gesetz hoffnungsvoll entgegen. Ihre Petita beziehen sich vor allem auf konkrete Detailregelungen. So schreibt etwa die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) in ihrer Stellungnahme, das Gesetz werde das Vorhaben der EU-Kommission, den europäischen Kapitalmarkt zu vertiefen, vorantreiben. Begrüßt werden der erleichterte Kapitalmarktzugang und die geringeren Folgepflichten der zugelassenen Unternehmen. Durch den Abbau bürokratischer Hürden werde der Kapitalmarkt in Deutschland für kleine und mittlere Unternehmen attraktiver und zukunftsfähiger.
Ausdrücklich erfreut zeigt sich die DK über die geplante Ausnahme von der AGB-Inhaltskontrolle für professionelle Kapitalmarktgeschäfte. Diese Neuregelung soll rechtssichere Vertragsgestaltung auch nach deutschem Recht bewirken. Derzeit greifen Kapitalmarktprofis vielfach notgedrungen auf ausländisches Recht zurück, um Verträge nach internationalen Standards zu schließen. Die DK dringt darauf, den Kreis professioneller Kapitalmarktteilnehmer, die unter die Ausnahme fallen, größer zu ziehen als im Regierungsentwurf geplant. Gegenüber dem Referentenentwurf waren bereits Kapitalverwaltungsgesellschaften und große Player wie die KfW, Abwicklungsanstalten und öffentliche Schuldenverwaltungen aufgenommen worden. Aus Sicht der DK fehlen aber besonders Profis wie Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds. Auch große, international nicht tätige Unternehmen sollten aus Sicht der DK in die Regelung einbezogen werden.
Große Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds vermisst auch der Bundesrat bei der geplanten Ausnahme. Die Länderkammer dringt in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf darauf, die Ausnahme an den Kreis der im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) genannten professionellen Marktteilnehmer anzulehnen. Das WpHG bezieht sich konkret auf große Unternehmen, die dem Versicherungsaufsichtsgesetz unterliegen. Verträge kleinerer Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds verblieben damit unter der AGB-Kontrolle, schreibt der Bundesrat.
Bei kleineren Marktteilnehmern stößt die geplante Ausnahme von der AGB-Kontrolle ohnehin auf Missfallen. Der Bundesverband der Wertpapierfirmen an den deutschen Börsen kritisiert, das Gesetzesvorhaben folge einem "Idealbild", das in der Realität nicht existiere. Gerade kleinere und mittlere Finanzmarkteilnehmer – besonders Wertpapier- und Finanzdienstleistungsinstitute – seien gegenüber marktmächtigen großen Instituten schutzbedürftig im Sinne der AGB, argumentiert Hans Mewes, Justiziar des Verbandes. Es sei völlig unzutreffend, dass sich am Finanzmarkt ebenbürtige Parteien auf Augenhöhe gegenüberstünden. Eine Normierung der geplanten Bereichsausnahme würde dem Schutz des schwächeren Vertragspartners zuwiderlaufen. Die Wertpapierfirmen hoffen darauf, dass die Ausnahmeregelung im parlamentarischen Verfahren noch gekippt wird.
Umstrittene Mehrstimmenrechte
Einer der wenigen hart umstrittenen Punkte ist die Einführung eines Mehrstimmenrechts bei Aktiengesellschaften. Die Investorenseite – darunter der Fondsverband BVI – läuft dagegen Sturm. Sie sieht ihre Rechte und Kontrollmöglichkeiten als Eigentümer geschmälert. Die Bundesregierung will mit der Wiedereinführung des Mehrstimmenrechts, das 1998 hierzulande abgeschafft wurde, Börsengänge ankurbeln. Sie verweist auf internationale Standards. Gründer und Firmeninhaber scheuen vielfach die Kapitalbeschaffung über die Börse, wenn sie damit Einfluss im Unternehmen verlieren. Die Investoren verweisen auf ihre gesetzlichen Kontrollpflichten in den Unternehmen. Diese könnten sie bei ungleicher Stimmenverteilung nicht mehr ausüben.
Die Neuregelung dürfte damit Investoren eher bremsen. Das Bundesjustizministerium rechtfertigt die Dysbalance bei den Stimmrechten mit einem engen Anforderungskatalog: Dazu zählt das einstimmige Votum der Hauptversammlung für die Einführung von Mehrstimmenrechten, das Erlöschen nach spätestens 20 Jahren oder das Verbot, Mehrstimmenrechte nach einem Börsengang auf Dritte zu übertragen. Der Bundesrat hält die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen mit und ohne Börsengang mit Blick auf Mehrstimmenrechte für falsch. Der Auflagenkatalog könnte Unternehmen von einer Börsennotierung abhalten und dazu bewegen, stattdessen über Jahrzehnte anderweitig Kapital zu akquirieren, schreibt die Länderkammer. Sie dringt deshalb darauf, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu entscheiden, generell auf die Beschränkungen zu verzichten oder sie für alle Mehrstimmrechtsaktien von Unternehmen einzuführen.
Intensiver Beratungsbedarf
Aufgrund der Vielfalt der Änderungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz sind sieben Bundestags-Ausschüsse damit befasst. Neben dem federführenden Finanzausschuss sind dies die Ausschüsse für Recht, Wirtschaft, Umwelt, Digitales, Energie und der Haushaltsausschuss. Die Beratungen werden dadurch nicht einfacher. Die Parlamentarier der Ampel zeigen sich konstruktiv. Auch von der größten Oppositionsfraktion CDU/CSU kamen kaum scharfe Töne. Dennoch: Der Bundesrat muss dem Vorhaben zustimmen und könnte das Gesetz verzögern, wenn die Länder ihre Wünsche nicht berücksichtigt sehen. Die Intervention der Länderfinanzminister, die Umsatzsteuerbefreiung für alle alternativen Investmentfonds zu kippen, hat das Bundesrats-Plenum schon vom Tisch gefegt. Aber die Zeit drängt, wenn das Gesetz bis zum Jahresende alle parlamentarischen Hürden genommen haben soll.