KommentarAutoindustrie

Fitnesscenter China

VW fährt im chinesischen Elektroautosegment bislang hinterher. Der Konzern braucht im weltgrößten Automarkt schnell sichtbare Fortschritte. Ob die angekündigte Zusammenarbeit von VW und Audi mit lokalen Herstellern in China wettbewerbsfähige Fahrzeuge hervorbringen wird, ist aber unklar.

Fitnesscenter China

Volkswagen

Fitnesscenter China

Von Carsten Steevens

Es war der damalige Konzern-Betriebsratschef und Aufsichtsrat Bernd Osterloh, der den US-Markt für Volkswagen mit Verweis auf fehlende Modelle in den gefragten und renditestarken Segmenten großer SUVs und Pickups öffentlich als “Katastrophenveranstaltung” betitelte. Fast zehn Jahre ist das her. Aus der Nische sind die Wolfsburger im zweitgrößten Automarkt zwischenzeitlich nicht gekommen, zumindest aber aus der Verlustzone. Und der Umbruch zur Elektromobilität, den der 2015 von US-Behörden aufgedeckte Dieselskandal auslöste, weckt bei den Niedersachsen Hoffnungen, bis 2030 einen nennenswerten Marktanteil in Nordamerika zu erreichen. Dazu soll nicht zuletzt die wiederbelebte und elektrifizierte Marke Scout beitragen.

Ein vergleichbares Levitenlesen mit Blick auf den Auftritt bei den New Energy Vehicles (NEV) im weltweit größten Automarkt China gab es noch nicht. Doch im schnell wachsenden Zukunftssegment der E-Fahrzeuge – 2022 war bereits jedes vierte verkaufte Fahrzeug in China ein NEV-Modell – fahren die Wolfsburger hinterher. Im ersten Halbjahr 2023 ging die Zahl der ausgelieferten E-Fahrzeuge des Konzerns in China um 1,6% zurück, während sie in Europa um fast 70% stieg. Zu den Lektionen der vergangenen zwei Jahre gehörte für VW, dass der Status als langjähriger Marktführer im Segment der konventionellen Verbrennerantriebe wenig zählt – auch wenn das margenstarke Geschäft noch eine solide Basis bietet, den Umbruch in Richtung Zukunftstechnologien zu beschleunigen.

Die Anforderungen, um bei vernetzten E-Fahrzeugen, um im Markt für autonomes Fahren in China wettbewerbsfähig zu werden, adressiert VW. Das zeigt nach der Entscheidung, die Entwicklung des autonomen Fahrens in China gemeinsam mit Horizon Robotics voranzutreiben und durch Bündelung von Kapazitäten die Entwicklungszeiten für neue Produkte um rund 30% zu verkürzen, nun der Plan, die Marken VW und Audi für mehr E-Modelle mit den lokalen Herstellern Xpeng und SAIC kooperieren zu lassen bzw. die bestehende Partnerschaft auszuweiten. Ob diese Zusammenarbeit funktionieren wird und die Konzernprodukte wettbewerbsfähiger werden, lässt sich aber noch nicht absehen. Sichtbare Fortschritte benötigt der Konzern indes so schnell wie möglich. Investoren dringen darauf. China ist zu einem Fitnesscenter für die internationale Autoindustrie geworden und wird Hinweise auf die Erfolgsaussichten der (traditionellen) Hersteller bei E-Fahrzeugen und autonomem Fahren auch in anderen Regionen liefern.

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