Zuflucht im günstigen Love Hotel
Notiert in Tokio
Zuflucht im günstigen Love Hotel
Von Martin Fritz
Wo kann man in Tokio preiswert übernachten? „Das Abflugterminal des Flughafens Haneda ist gut“, erzählte ein 45-jähriger Manager aus Osaka dem Boulevard-Magazin „Spa“ im Dezember. „Die höchste Übernachtungszulage für Geschäftsreisen in unserer Firma beträgt 18.000 Yen (111 Euro) pro Nacht – nicht schlecht im Vergleich zu den maximal 10.900 Yen (67 Euro) pro Nacht für mittlere Regierungsangestellte – nur dass ich in Tokio noch nie ein Zimmer zu diesem Preis gefunden habe“, berichtete der Manager. Der durchschnittliche Übernachtungspreis in Tokio erreicht im Oktober den Rekordstand von 18.965 Yen (117 Euro), knapp 60% mehr als vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie.
Zimmerpreise explodierten
Der Geheimtipp mit dem Flughafen hat sich allerdings schon längst herumgesprochen. Während die Bahnhöfe in Japan nachts schließen, weil zwischen 1 und 4.30 Uhr keine Züge verkehren, sind die drei Terminals des Flughafens Tokio-Haneda in relativer Innenstadtnähe rund um die Uhr geöffnet. Die Stühle in den Wartehallen sind einladend bequem gepolstert und daher in den Nachtstunden nicht nur von wartenden Passagieren komplett belegt, Toiletten (umsonst) und Duschen (günstig) gibt es auch.
Trotz des Siegeszugs von Teams, Zoom und anderen Videokonferenz-Apps bevorzugen japanische Geschäftsleute immer noch persönliche Kontakte und reisen für diese Treffen viel. In Metropolen wie Tokio, Osaka und Nagoya und in vielen Großstädten entstand für diesen Bedarf extra die Kategorie der „Business-Hotels“. Die winzigen Zimmer sind nur mit Bett, Bad und Fernseher ausgestattet (einzige Annehmlichkeit: eine Wegwerf-Zahnbürste mit Zahnpasta-Tübchen). Daher kostete ein Zimmer selbst in Tokio früher nur 5.000 bis 10.000 Yen (60 Euro).
Übernachten im Sharing-Auto
Von solchen Preisen können Geschäfts- und andere Reisende heute nur träumen. Der Hauptgrund ist der Ansturm ausländischer Touristen. Laut der APA-Hotelgruppe, einst der Betreiber einer Kette von klassischen Business-Hotels, belegt diese Gruppe im Schnitt 50% der Zimmer, 35% sind Geschäftsreisende und 15% japanische Touristen. Nach Angaben der Tokyo Hotel Association lag die Auslastungsrate ihrer 260 Mitglieds-Hotelfirmen im Oktober bei extrem hohen 91%. Die Preisexplosion erklärt der Verband auch mit den gestiegenen Arbeitskosten durch Personalmangel. Jedenfalls kletterten ausländische Übernahmen von japanischen Hotels 2024 auf Rekordhöhen.
Not macht erfinderisch: Zum Beispiel buchen sich viele in ein „Love Hotel“ ein. Die ganze Nacht kostet oft nicht viel mehr als der übliche Zwei-Stunden-Slot für liebeshungrige Paare und ist selbst nahe großen Bahnhöfen in Tokio schon ab 7.000 Yen (43 Euro) zu haben. Neuerdings beliebt: Sich per Car-Sharing-App ein Auto auf einem Parkplatz zum Nachttarif (18 Uhr bis 9 Uhr morgens) für unter 3.000 Yen (18 Euro) mieten und es sich bei laufendem Motor mit aufgedrehter Heizung, eingebautem Fernseher und Batteriestrom fürs Smartphone bequem machen.