Im BlickfeldHohe Standortkosten

Flughäfen im Dauerstress

Hohe Standortkosten belasten das Geschäft der deutschen Flughäfen. Dazu kommen Wetterextreme und zahlreiche Streiks.

Flughäfen im Dauerstress

Deutschlands Flughäfen
im Dauerstress

Wetterextreme, Klimakleber, staatlich verordnete Belastungen und ein kleines Nagetier

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Manchmal reicht schon ein Siebenschläfer. Ein solches Nagetier hat kürzlich über Stunden die Stromversorgung großer Teile des Frankfurter Flughafens lahmgelegt. Zum Glück biss der Nager am späten Abend zu, so dass der Flugverkehr wegen des Nachtflugverbots kaum belastet wurde. Allerdings zeigte sich erneut, dass so ein Flughafen störanfällig ist und dass dabei immer häufiger externe Kräfte wirken. Wenige Tage vor dem Siebenschläfer waren Klimaaktivisten der Letzten Generation unter anderem auf das Frankfurter Flughafengelände eingedrungen und hatten durch ihre Blockadeaktion für Annulierungen und Verspätungen am größten deutschen Airport gesorgt.

Streik bei Discover

Als wäre das noch nicht genug, haben zudem in jüngster Vergangenheit Extremwetterereignisse immer wieder den operativen Betrieb der Flughäfen gestört, seien es Starkregen, Hagel oder schwere Gewitter. Bei einem eng getakteten Flugplan wie am Flughafen Frankfurt können solcherlei Störungen gravierende Folgen für den Flugbetrieb haben. Gleiches bewirken die zahlreichen Tarifkonflikte in der Luftverkehrswirtschaft − derzeit wird die Lufthansa-Tochter Discover bestreikt.

Ihre eigenen Hausaufgaben haben die Flughäfen in Deutschland dagegen weitgehend erledigt. Nach dem Chaos im Sommer 2022 wurden Abläufe gestrafft und Personal eingestellt, so dass es 2023 und auch im laufenden Sommer deutlich reibungsloser lief. Trotzdem hinkt der gesamte Luftverkehr in Deutschland der Entwicklung anderswo hinterher. Für den Rückstand macht die Branche vor allem die Politik verantwortlich, die Flughäfen und Fluggesellschaften hohe Kosten aufbürdet. „Staatliche Belastungen für den Luftverkehr haben sich in Deutschland seit 2020 annähernd verdoppelt“, rechnet der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und Eurowings-CEO, Jens Bischof, vor. „Im Gegensatz dazu zeichnen sich europäische Flughäfen, die 2024 das Vorkrisenniveau erreicht oder bereits übertroffen haben, im Vergleich zu deutschen Standorten größtenteils durch wesentlich niedrigere staatliche Abgaben aus.“

Welche Folgen diese ungleiche Entwicklung haben kann, kann der Flughafenbetreiber Fraport im eigenen Haus beobachten. Während die Konzern-Beteiligungen in Griechenland und in der Türkei im vergangenen Geschäftsjahr neue Passagierrekorde vermeldeten, kam man am wichtigsten Standort Frankfurt gerade mal auf ein Aufkommen von 84% im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau. Auch Fraport-Chef Stefan Schulte sieht die Gründe hierfür in den hohen Standortkosten. „Die Branche braucht eine politische Kehrtwende, um wichtige Projekte, wie die Umstellung auf einen CO2-freien Betrieb, stemmen zu können“, fordert Schulte.

Airlines bleiben weg

Im ersten Halbjahr 2024 erreicht der gesamte deutsche Luftfahrtmarkt bei den Passagierzahlen etwa 83% des Vorkrisenaufkommens, Gesamt-Europa kam auf 99%. Bei den Punkt-zu-Punkt-Fluglinien, für die niedrige Kosten Grundlage des Geschäftsmodells sind, erreichte das Aufkommen im deutschen Markt sogar nur 71% des 2019er Wertes − „europäische Punkt-zu-Punkt-Airlines machen einen Bogen um deutsche Flughäfen“, so Bischof. Gerade erst hat Ryanair mitgeteilt, sein Flugangebot ab dem BER eindampfen zu wollen.

Der BDL nennt beispielhaft die Entwicklung am Flughafen Stuttgart, der exemplarisch für die mittelgroßen Airports in Deutschland stehe. Stuttgart habe zuletzt vor allem wegen des Rückzugs der Punkt-zu-Punkt-Airlines 19 Destinationen verloren. „Dies verschlechtert die Anbindung wichtiger europäischer Märkte an das Zentrum der deutschen Maschinenbauindustrie“, klagt der Verband.

Zu den Belastungen in Deutschland, etwa durch die Luftverkehrssteuer, kommen auf europäischer Ebene die Vorgaben des EU-Klimaschutzpaketes „Fit for 55“, die in den Augen der Luftfahrtbranche Wettbewerbsverzerrungen zur Folge haben. Die dort verordnete zunehmende Beimischung von sustainable aviation fuel (SAF) in die Flugzeugtanks etwa lässt die Kosten der Airlines steigen, teurere Tickets dürften die Folge sein. Europäische Carrier müssen das kostspieligere SAF beispielsweise für Verbindungen von Europa nach Asien für die gesamte Strecke tanken, dagegen müssen Airlines mit Umsteige-Drehkreuzen außerhalb der EU das nur für das kürzere Teilstück von Europa zu ihrem Drehkreuz am Persischen Golf oder in der Türkei tun. „Dies bedeutet einen jährlich steigenden erheblichen Kostenvorteil für diese Airlines – und aufgrund von Carbon Leakage keine Fortschritte beim Klimaschutz“, sagt Bischof.

Die vom BDL befürchtete künftige Entwicklung lässt sich heute schon an den Passagierströme von Deutschland nach Asien ablesen. Laut Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) steigen derzeit schon immer mehr Reisende an Drehkreuzen außerhalb der EU um. Von 2010 bis 2024 ist der Anteil der Umsteiger an Nicht-EU-Drehkreuzen bereits von 38 auf 57% gestiegen. Im Gegenzug sank der Anteil des Nonstop-Verkehrs nach Asien und der Umsteigeverbindungen über europäische Hubs von 62 auf 42%.

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