LeitartikelHöchste Raten seit 2007

Folgenschwerer Zinsanstieg am US-Hypothekenmarkt

Die Hypothekenzinsen in den USA haben das höchste Niveau seit 2002 erreicht. Damit drohen noch erhebliche Belastungen für die Konjunktur und das Bankensystem.

Folgenschwerer Zinsanstieg am US-Hypothekenmarkt

US-Hypotheken

Folgenschwerer Zinsanstieg

Der Anstieg der US-Hypothekenzinsen auf das höchste Niveau seit 2002 droht das Bankensystem noch erheblich zu belasten.

Von Alex Wehnert

Der Anstieg der US-Hypothekenzinsen ist ein neuerliches Zeichen für die Erosion des Immobilienmarkts – und droht die Wirtschaft sowie den Finanzsektor noch erheblich zu belasten. Die durchschnittliche Rate auf 30-jährige Festhypotheken ist auf 7,09% geklettert, dies bedeutet das höchste Niveau seit April 2002. Die stark angezogenen Kosten für Hauskäufer sind das Resultat des restriktiven Kurses der Federal Reserve, in dessen Folge der Hypothekenzins bereits im November über die Marke von 7% geschnellt war. Nachdem im laufenden Jahr die Hoffnung auf ein Ende der geldpolitischen Straffungen die Runde machte, gingen zunächst zwar auch die Raten auf Grundpfandrechte zurück. Eine wachsende Zahl an Kommentatoren wollte angesichts positiver als erwartet ausfallender Bau-, Verkaufs- und Preisindizes bereits eine Erholung am Immobilienmarkt beobachten. Ihre Entwarnungsrufe kamen allerdings verfrüht.

Die Zinsentwicklung infolge des restriktiven Fed-Kurses wird schließlich noch durch den massiven Finanzierungsbedarf des Staates verstärkt. Die Treasury wird im laufenden Quartal Anleihen im Volumen von mehr als 1 Bill. Dollar emittieren, nachdem sie sich aufgrund des politischen Streits um die US-Schuldenobergrenze fast während des gesamten ersten Halbjahres keine Mittel über neue Wertpapiere leihen konnte. Das Neuangebot trifft nun auf einen Primärmarkt, der unter dem Eindruck der straffen Geldpolitik und der jüngsten Krise im Bankensektor nur begrenzt aufnahmefähig ist. Die Folge sind steigende Renditen: Die laufende Verzinsung der zehnjährigen Treasury erreichte zuletzt den höchsten Stand seit 2007. Dies schlägt sich auch am Hypothekenmarkt nieder, dessen Zinsentwicklung in der Regel jener im Staatsanleihesegment folgt.

Dabei liegt die Rendite der zehnjährigen Treasury trotz des jüngsten 16-Jahres-Hochs deutlich unter den kurzfristigen Zinssätzen und besitzt damit noch Raum zum Klettern – zumal Fed-Offizielle die hohe Inflation noch immer als große Gefahr für die US-Wirtschaft einschätzen. Eine weitere Straffung auf der September-Sitzung des Offenmarktausschusses ist also durchaus wahrscheinlich, Signale diesbezüglich dürfte das Notenbankertreffen in Jackson Hole ab Donnerstag liefern. Neue Zinsschritte drohen die Raten auf 30-jährige Festhypotheken auf Werte von 8% zu treiben. Dabei kann sich eine große Zahl an Amerikanern den Hauskauf schon längst nicht mehr leisten. Und wer zuletzt zu hohen Raten eine Immobilie erworben und darauf gehofft hat, bald günstiger refinanzieren zu können, muss nun länger ausharren – eine Entwicklung, die noch erheblich auf Konsum und Konjunkturstimmung lasten könnte.

Zudem nehmen viele Eigentümer angesichts der hohen Hypothekenzinsen Abstand von Verkäufen, da sie Verlustgeschäfte fürchten. Dies verengt einen Markt, der ohnehin durch ein niedriges Angebot geprägt ist, zusätzlich. Auch für vermögende Interessenten wird der Hauskauf schwieriger: Die Zinsen auf sogenannte Jumbo Mortgages klettern sogar noch stärker als jene auf reguläre Hypothekenkredite. Denn die jüngste Krise im Finanzsektor wirkt in den Köpfen der Bankmanager nach. Insbesondere der Anfang Mai kollabierten First Republic Bank wurden die günstigen Konditionen, die sie für großvolumige Hypothekenkredite gestellt hatte, zum Verhängnis. Eine im Juli vorgestellte Neuregulierung soll Geldhäuser nun verpflichten, mehr Kapital für Hypothekenkredite vorzuhalten. Dies führt dazu, dass viele Institute für neue Jumbo Mortgages deutlich höhere Raten verlangen und eilig versuchen, günstigere Bestandskredite abzustoßen.

Mit dem Verkaufsdruck drohen wiederum neuerliche Wertverluste bei Mortgage-Backed Securities (MBS), die sich zuletzt noch leicht vom Kursdruck aus dem Frühjahr erholten. Dies ist insofern bedenklich, als viele Regionalbanken noch immer auf großen MBS-Beständen sitzen und ihnen aufgrund der Renditeanstiege bei Treasuries eine zweite vermeintlich sichere Portfoliokomponente erodiert. Bei plötzlich steigendem Liquiditätsbedarf könnten viele der Institute also wie im Frühjahr zu verlustreichen Wertpapierverkäufen gezwungen sein. Die Gefahr neuerlicher Verwerfungen im Finanzsektor ist damit größer, als viele Kommentatoren am Hypothekenmarkt es momentan wahrhaben wollen.

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