KommentarDeutsche Bank

Eher ein Jahrhundertprojekt

Die betriebswirtschaftliche Neuausrichtung der Deutschen Bank hat funktioniert. Am geglückten Kulturwandel darf noch gezweifelt werden.

Eher ein Jahrhundertprojekt

Deutsche Bank

Form und Inhalt

Von Anna Sleegers

Die Quartalszahlen der Deutschen Bank sind ein weiterer Beleg dafür, dass die unter Vorstandschef Christian Sewing eingeschlagene Neuausrichtung greift. Obwohl die Erträge der in den vergangenen Jahrzehnten so dominanten Investmentbank zweistellig eingebrochen sind, kann der Konzern Wachstum verzeichnen. Dank der steigenden Zinsen hat die Unternehmensbank ein Viertel mehr Erträge erzielt als im Vorjahreszeitraum, das Privatkundengeschäft legte um 11% zu. Der neue Ertragsmix spiegelt das besser ausgewogene Geschäftsmodell der neuen Deutschen Bank wider.

Die aktuelle Schwäche der Investmentbank lässt sichtbar werden, dass die im Zuge des Umbaus intendierte Rückkehr zur Universalbank erfolgreich war. Schwächelt die Investmentbank, zu der die Deutsche Bank neben der Beratung auch das Kapitalmarktgeschäft mit dem riesigen Anleihehandel zählt, haben die in der Vergangenheit oftmals im Schatten stehenden Sparten die Chance zu glänzen.

Unternehmensbank mit Gewinnsprung

Während die Unternehmensbank mit einem Gewinnsprung von 52% auf 670 Mill. Euro bereits von der Restrukturierung der vergangenen Jahre zehrt, wurde im Privatkundengeschäft im zweiten Quartal das Fundament für künftige Profitabilitätszuwächse gelegt. Mit dem Abschluss der beispiellos aufwendigen IT-Integration dürfte sich der Gang in die Cloud erst richtig lohnen. Denn jeder Euro, den der Konzern hier investiert, kommt dem Geschäft mit den Privatkunden der Postbank und der Deutschen Bank gleichermaßen zugute, zusammengenommen eine zweistellige Millionenzahl. Auch die Zentralisierung der Sparte unter dem in den Konzernvorstand aufgerückten Claudio de Sanctis und den Stellenabbau in der von der Zinswende getroffenen Baufinanzierung, die das Quartalsergebnis mit 260 Mill. Euro belasten, kann man als sinnvolle Investition in die Zukunft der Privatkundensparte betrachten.

Anders sieht es mit den 395 Mill. Euro aus, die das Institut im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten auf den Tisch legen musste. Dass es sich dabei größtenteils um Ausgaben für die Beilegung von Altfällen handelte, wie es in der Mitteilung heißt, taugt nur bedingt zur Entschuldigung. Es liegt in der Natur der Sache, dass Geldbußen erst dann entrichtet und Vergleiche geschlossen werden können, wenn die Mühlen der Justiz ihre Arbeit getan haben. Die Frage nach den Rechtsstreitigkeiten, die die Gewinne in der Zukunft belasten werden, bleibt offen.

Jahrhundertprojekt Kulturwandel

Gerne stellt sich die Deutsche Bank so dar, als ob sie mit der finsteren Vergangenheit, in der die dafür nicht legitimierten Investmentbanker intern das Zepter schwangen, abgeschlossen hat. Zu hinterfragen ist, ob mit der betriebswirtschaftlichen Neuausrichtung auch eine Rückbesinnung auf ethische Grundsätze stattgefunden hat. Von der Deutschen Bank nicht dementierte Berichte, denen zufolge sie nur kurz nach der internen Revision der Prozesse schon wieder Ärger mit der Aufsicht wegen ihrer Verkaufspraxis im Derivategeschäft hat, lassen Zweifel aufkommen, ob tatsächlich die ehrbaren Kaufleute das Zepter übernommen haben.

Der seit der Finanzkrise immer wieder beschworene Kulturwandel bei der Deutschen Bank scheint ein Jahrhundertprojekt zu sein. Hinter dem von Sewing wie auch von Finanzvorstand James von Moltke durchaus glaubwürdig zur Schau getragenen Willen, einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, blitzt immer mal wieder die Mentalität auf, die das Institut für Kritiker zum Inbegriff eines aus dem Ruder gelaufenen Finanzkapitalismus gemacht hat. Eine Mentalität, die Compliance als lästige Formsache abtut, der man sich am liebsten durch Nichtbeachtung entledigen würde. Tatsächlich ist Compliance jedoch vor allem eine Frage des Inhalts. Um langfristig Erfolg zu haben, bedarf es der Stärke, nicht jede Gesetzeslücke zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Langer Atem gefragt

Es wäre weltfremd zu verlangen, dass ein Finanzkonzern dieser Größenordnung international tätig ist, ohne hier und da juristisch anzuecken. Doch das Management macht es sich zu leicht, wenn es die Kosten für Rechtsstreitigkeiten als reinen Ausgabenposten deklariert, wie die Bemerkung in der Konzernmitteilung vermuten lässt, dass diese im zweiten Quartal nicht steuerabzugsfähig waren.

Der Wettbewerb zwischen den Sparten ist durch die neue Konzernstruktur gestiegen und der Druck, hohe Renditen zu erzielen, ist überall hoch. Die Gefahr, dass zu unlauteren Mitteln gegriffen wird, um die immer ambitionierteren Vorgaben zu erreichen, wächst und lässt sich nicht allein durch rigide Kontrollen verhindern. Die Kunst der guten Unternehmensführung besteht darin, das Rückgrat der Beschäftigten zu stärken und klarzumachen, dass es darum geht, auf Dauer erfolgreich zu sein. Dafür bedarf es manchmal eines längeren Atems, als ihn der auf die Quartalssicht fixierte Aktienmarkt aufzubringen vermag.

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