Frische Croissants aus dem Automaten
Den Kontakt zu Kunden trotz coronabedingter Schließungen nicht zu verlieren, ist eine der Sorgen, die Unternehmen und Gastwirte in Frankreich umtreibt. Während Air-France-Kundinnen des Vielfliegerprogramms die Bord-Frauenzeitschrift „Air France Madame“ seit Ausbruch der Pandemie nach Hause geschickt bekommen, verstecken einige Gastronomen ihre Skrupellosigkeit hinter diesem Argument. Noch immer sorgt eine an Karfreitag ausgestrahlte Fernsehreportage von M6 über illegale Diners, die der Koch Christophe Leroy trotz Covid-Beschränkungen im Palais Vivienne, einem Pariser Stadtpalast des Sammlers Jean-Pierre Chalençon, für bekannte Persönlichkeiten organisierte, für Empörung. Das hindert andere Gastronomen jedoch nicht daran, ihre Restaurants zu öffnen – obwohl Gaststätten seit Ende Oktober geschlossen bleiben müssen. Am Wochenende stattete die Polizei erneut zwei Restaurants im Großraum Paris einen Besuch ab, die illegalerweise 172 Gäste bewirtet haben.
Bis auf wenige schwarze Schafe lassen sich die meisten Köche seit Ausbruch der Pandemie jedoch zum Glück andere Dinge einfallen, um den Kontakt mit ihren Gästen zu wahren – vom Lieferservice über private Kochstunden bis zum vor Ort bei Kunden zubereiteten Menü. Gleichzeitig hat der Ausbruch der Covid-19-Pandemie einen weiteren Trend verstärkt. Denn für Köche und Restaurants ist es inzwischen unerlässlich geworden, bei Instagram präsent zu sein – nicht unbedingt, um ihre neuesten Kreationen zu präsentieren, sondern auch um Einblick in ihr Privatleben zu geben.
Dass sie damit Tausende Follower erreichen, haben auch Markenhersteller erkannt. Statt klassische Werbung zu schalten, setzen sie auf Partnerschaften mit Köchen. So kann es passieren, dass Cédric Grolet, der Chefpâtissier des Luxushotels Meurice, und seine rechte Hand Yohann Caron auf Instagram dem Modehersteller Lacoste für ein Kleidungsstück danken oder dass Sternekoch Paul Pairet, der drei Restaurants in Schanghai betreibt und zu den Juroren der Sendung „Top Chef“ gehört, dort mit gut sichtbarer Hublot-Uhr am Handgelenk am Herd steht. Vor Covid habe sie sehr viel mehr Anfragen für klassische Pressearbeit als für Social Media gehabt, berichtet Clarisse Ferreres-Frechon von der auf Gastronomie spezialisierten PR-Agentur Melchior. Inzwischen sei das umgekehrt. Bisher haben sich nur einige wenige junge Köche aus Frankreich auf Tiktok getraut, doch das könnte sich bald ändern. 2016 seien viele Facebook-Nutzer zu Instagram gewechselt, meint Unternehmensberater Baptiste Aubour. „In zehn Jahren wird Instagram die Plattform der Alten sein.“
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Dann könnten auch Automaten für Brot und Gemüse zum normalen Straßenbild in ländlichen Gegenden gehören. Während in Deutschland immer mehr Packstationen von DHL entstehen, hat die Pandemie den Automatentrend in Frankreich ebenfalls verstärkt. Austernzüchter und Bäcker haben ihre Produkte bereits vor Jahren erstmals versuchsweise in Automaten zum Verkauf angeboten. Am südlich von Toulouse gelegenen Bahnhof Portet-Saint-Simon etwa hat die Bäckerei „La flute de Pan“ vor drei Jahren einen Automaten aufgestellt, in dem Reisende rund um die Uhr frisches Baguette, Croissants und Pain au Chocolat erwerben können. Im 18. Arrondissement von Paris wiederum können Verbraucher, die ein entsprechendes Abonnement mit Le Panier Citadin abgeschlossen haben, einen Korb mit frischem regionalen Obst und Gemüse aus einem Schließfach abholen.
Gerade kleine Dörfer in abgelegenen Gegenden setzen mangels einer eigenen Bäckerei auf Baguette-Automaten. „Seit 2017 haben wir 1600 davon in ganz Frankreich aufgebaut“, sagt Franck Auréal, dessen Unternehmen Sud Ouest Métal unter der Marke „maBaguette“ solche Automaten herstellt. Die Begeisterung sei seit der ersten Ausgangssperre vor einem Jahr gestiegen. Ob das dauerhaft so bleiben wird, muss sich noch zeigen. Denn die Arbeit im Homeoffice verstärkt auch den Wunsch nach sozialen Kontakten – und bei einigen auch nach einem Neuanfang. So nutzen einige leitende Angestellte die jetzige Krise auch dafür, sich zum Bäcker oder Konditor fortbilden zu lassen.