ANSICHTSSACHE

Für mehr Unternehmergeist in Japan und Deutschland

Börsen-Zeitung, 17.6.2016 Jüngste Schlagzeilen wie "Deutschland muss attraktiver für Start-ups werden" oder "Unternehmen müssen von Start-ups lernen" zeigen: Das Thema ist hochaktuell. Was wenig verwundert, schließlich fordern und fördern eine immer...

Für mehr Unternehmergeist in Japan und Deutschland

Jüngste Schlagzeilen wie “Deutschland muss attraktiver für Start-ups werden” oder “Unternehmen müssen von Start-ups lernen” zeigen: Das Thema ist hochaktuell. Was wenig verwundert, schließlich fordern und fördern eine immer rasanter zusammenwachsende Welt und die fortschreitende Digitalisierung aller Wirtschafts- und Lebensbereiche das Entstehen neuer Geschäftsmodelle. Auch Äußerungen von Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Gabriel unterstreichen, dass die Politik dieses Thema inzwischen zur Chefsache erklärt und damit seine immense Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland erkannt hat. So will das Bundeswirtschaftsministerium neugegründete Unternehmen in ihrer frühen Phase besser fördern. Dazu soll der “Hightech Gründerfonds” (HTGF) mit einem angestrebten Fördervolumen von 300 Mill. Euro wieder aufgelegt werden – ein gemischt öffentlich-privater Geldgeber, der in früheren Varianten schon seit 2005 Gründer unterstützt. Abenomics fördert Start-upsUnd auch der Start-up-Markt in Japan ist im Aufbruch. Zwar wird die Dynamik weiter von der verhaltenen Risikobereitschaft im Land gebremst, jedoch zeigen die Daumen gerade in den Bereichen Robotik und Gesundheitswesen seit etwa zwei Jahren nach oben. Sicherlich hat dazu beigetragen, dass der japanische Premier Shinzo Abe die Förderung von Start-ups von Anfang an in sein “Abenomics”-Programm aufgenommen hat. Ein wichtiger Punkt darin ist, Anreize für die “Business Angels” zu schaffen, die sich finanziell an Unternehmen beteiligen sowie mit Know-how und Kontakten unterstützen. Damit soll das Start-up-Ratio (investiertes Wagniskapital in Prozent des Bruttoinlandsprodukts), das in Japan mit 0,03 % weit hinter dem der USA mit 0,17 % zurückliegt, zumindest verdoppelt werden. Zudem dürfte das Entstehen neuer Geschäftsmodelle befördern, dass immer mehr junge Japaner feststellen, dass sogar die Großunternehmen infolge der schon länger dauernden Konjunkturflaute nicht mehr in der Lage sind, die traditionelle lebenslange Beschäftigung zu garantieren.In beiden Ländern scheint sich also die Einsicht durchzusetzen: Als Jungbrunnen einer Volkswirtschaft haben Start-ups einen enormen Stellenwert; und gerade ausgewiesene Exportnationen wie Deutschland und Japan können es sich nicht länger leisten, auf den Lorbeeren ihrer angestammten Industrien auszuruhen. Vielmehr müssen sie alles daran setzen, die radikalen Umwälzungen in der Arbeitswelt entscheidend mitzugestalten und damit ihren Abstand vor allem gegenüber den USA zumindest deutlich zu verkürzen: In Deutschland lag der Anteil der Entrepreneure an der Bevölkerung zuletzt bei 5,3 %, in Japan bei 3,8 % – und damit zum Beispiel deutlich unter den 13,8 % in den Vereinigten Staaten. Ein Grund hierfür könnte in der Angst vor Fehlschlägen liegen, die 40 % der Bevölkerung in Deutschland und 55 % in Japan davon abhalten, unternehmerisch tätig zu werden. In den USA kommt dagegen nur für 30 % der Bevölkerung eine Unternehmensgründung aus Angst vorm Scheitern nicht infrage.Neben psychologischen Aspekten spielt die Gesetzgebung im jeweiligen Land eine große Rolle. Der Bundesverband Deutscher Startups e.V. sieht hierbei vor allem bei Regulierung und Bürokratie hohe Hürden. Im Doing-Business-Ranking der Weltbank liegt Deutschland in der Kategorie “Starting a Business” nur auf Platz 107. Sowohl beim Bürokratieaufwand als auch bei der benötigten Zeit für eine Gründung schneidet Deutschland deutlich schlechter ab als der OECD-Durchschnitt. Japan rangiert zwar weiter vorn auf Platz 81, die japanischen Start-ups leiden aber zusätzlich zum hohen Aufwand für Bürokratie und zur überdurchschnittlichen Gründungszeit unter höheren Kosten für eine Unternehmensgründung als der OECD-Durchschnitt. Wagniskapital ist daInteressanterweise scheint die Verfügbarkeit von Wagniskapital in beiden Ländern kein Hemmnis zu sein. So liegt Deutschland im 120 Länder umfassenden “Venture Capital & Private Equity Country Attractiveness”-Index 2015 auf Rang 7 und damit zwei Plätze hinter Japan auf Rang 5. In puncto Anzahl der Börsengänge rangiert Japan mit Platz 8 noch deutlicher vor Deutschland auf Platz 17.Die Start-up-Szenen in Japan und Deutschland sind erfreulicherweise schon miteinander vernetzt. Auch das spricht für meine eingangs erläuterte Einschätzung, dass beide Länder engagiert daran arbeiten, zu den führenden Nationen in diesem Segment aufzuschließen. Beispielsweise testen Forscher des Universitätsklinikums in Bochum den Einsatz von HAL-Systemen (HAL steht für Hybrid Assistive Limb, also hybride unterstützende Gliedmaße), die Menschen mit Lähmungen oder eingeschränkter Beweglichkeit unterstützen sollen. Entwickelt wurden diese Systeme von japanischen Wissenschaftlern der Firma Cyberdyne, einem Start-up der Universität Tsukuba. Des Weiteren vergibt das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus Tokyo (DWIH) zusammen mit deutschen Unternehmen seit 2008 jedes Jahr einen “German Innovation Award” an japanische Nachwuchswissenschaftler.Vor diesem Hintergrund trifft es sich gut, dass der Deutsch-Japanische Wirtschaftskreis (DJW) anlässlich seines 30-jährigen Bestehens am 17. und 18. Juni ein zweitägiges Symposium zu diesem Thema in Berlin veranstaltet: “Entrepreneurship and Growth. Startups and their Ecosystems in Japan and Germany”. Ziel ist es, die beiden Start-up-Szenen in Japan und Deutschland noch besser zu vernetzen, den Austausch in Wissenschaft und Forschung weiter zu vertiefen, Vertreter von New und Old Economy zusammenzubringen und den DJW für neue Zielgruppen zu öffnen.Gerhard Wiesheu ist Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Japanischen Wirtschaftskreises (DJW) und Mitglied des Partnerkreises beim Bankhaus Metzler, Frankfurt. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Gerhard WiesheuExportnationen wie Deutschland und Japan müssen die Innovationskraft von Start-ups stärker als bisher nutzen.——-