Gefahr für Finanzstabilität
Naturkatastrophen
Ungeliebte Prävention
Von Antje Kullrich
Der Druck wächst. Die europäischen Finanzaufsichtsbehörden – und nicht nur die direkt für die Assekuranz zuständigen – nehmen sich des Themas Versicherungslücke an. Das ist so weitsichtig wie nötig. Zu viele Menschen in Europa haben ihr Hab und Gut nicht gegen existenzielle Risiken wie Waldbrände oder Überschwemmungen abgesichert. Der Klimawandel schreitet mit beängstigender Geschwindigkeit voran, die Schäden aus den daraus resultierenden verstärkten Naturkatastrophen nehmen zu. Die Inflation wirkte zuletzt als Katalysator für diese Entwicklung.
Die Dimension der Problematik macht jetzt der Eurorettungsfonds ESM eindrücklich klar, indem er darauf hinweist, dass eine zu geringe Versicherungsdichte Risiken für die Schuldentragfähigkeit einzelner Länder mit sich bringen kann. Denn wie die wenig nachhaltigen politischen Ad-hoc-Mechanismen im Falle von ungedeckten Multimilliardenschäden funktionieren, konnte man nicht zuletzt in Deutschland an der Ahr 2021 beobachten. Im Angesicht der drastischen Bilder großer Zerstörungen springt der Staat den Betroffenen steuerfinanziert zur Seite – selbst, wenn diese aus Kostengründen zuvor Versicherungsschutz abgelehnt haben. Doch ohne Vorsorge könnte selbst manch ein Staatshaushalt damit irgendwann an seine Grenzen kommen.
Wie zäh jedoch die Debatte um die Schließung der Versicherungslücke verläuft, ist ebenfalls am Beispiel Deutschlands zu beobachten: Das Gezerre um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden hält an – im Juni dieses Jahres ist das Thema gerade in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Bund und Ländern geparkt worden. Dabei ist die grundsätzliche Erkenntnis weit verbreitet, dass schwer versicherbaren Risiken sehr wirkungsvoll durch Kooperation von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand begegnet werden kann. Modelle dafür sind schon längst entwickelt – eins hat jetzt der ESM in die Debatte geworfen.
In der genauen Ausgestaltung und dem Beitrag der einzelnen Beteiligten liegt allerdings die Crux. Denn eine effektive Vorsorge gibt es nicht umsonst. Wer präventiv Reserven bildet und das im besten Fall auch noch mit baulichen sowie landschaftsplanerischen Maßnahmen flankiert, muss zunächst investieren. Leicht durchzusetzen ist das nicht. Noch dazu kommt, dass die mannigfaltigen Krisen dieser Tage den Blick von Präventionsmaßnahmen ablenken.
Es ist zu wünschen, dass nicht erst eine weitere große Katastrophe den letztlich nötigen Schub für ein europaweites privat-öffentliches Versicherungskonzept gegen Naturkatastrophen bringen muss.