Geld-Junkies auf Entzug
Private Equity
Geld-Junkies auf Entzug
Von Christoph Ruhkamp
Finanzinvestoren haben sich abhängig gemacht vom billigen Geld der Notenbanken. Jetzt müssen sie wieder ohne die Droge auskommen. Das wird hart.
Private Equity ist auf Entzug. Nach der letzten Finanzkrise hat der offene Geldhahn der Notenbanken für Finanzinvestoren das Leben mehr als ein Jahrzehnt lang sehr einfach gemacht. Das frisch gedruckte Geld musste ja irgendwo angelegt werden. Alles ging fast wie von selbst – alles wurde größer: die Buy-out-Fonds und die Private-Debt-Fonds, die Summe der Gebühren für die Verwaltung der auf 11 Bill. Dollar anwachsenden Assets under Management, aber auch die Bewertungen der Unternehmensbeteiligungen – und in der Folge auch die im Fachjargon „Carry“ genannte Gewinnbeteiligung für die Manager.
Seit zwölf Monaten hat sich das Bild komplett geändert. Die Zinserhöhungen der US-Fed, die im Juni 2022 begannen und denen die anderen Notenbanken folgten, lassen die Herren und Herrinnen des Geldes und der Schulden bei Apollo, Blackstone, Carlyle, EQT, KKR & Co. auf dem Trockenen sitzen. Weil Kredite knapper und teurer wurden, lässt sich die Eigenkapitalverzinsung nicht mehr mit Fremdkapital hebeln, deshalb sind zunächst die Bewertungen – ob bilanziell eingestanden oder verdeckt – abgestürzt. Käufer und Verkäufer von Unternehmensbeteiligungen können sich immer seltener auf einen Preis einigen. Das Transaktionsvolumen der Private-Equity-Branche ist in der ersten Jahreshälfte im Vergleich zur Vorjahreszeit um zwei Drittel eingebrochen. Immer häufiger ziehen sich Finanzinvestoren aus Kaufverhandlungen zurück. Zu hoch sind die Preisvorstellungen – und die Messlatte für ein Ja zu einem Deal liegt höher, weil der Wertzuwachs nicht mehr von selbst kommt, sondern mit operativen Verbesserungen erwirtschaftet werden muss.
Die Due Diligence wird wieder ernsthafter betrieben. So scheitern viele Deals, die noch vor einiger Zeit zustande gekommen wären: In den USA hat Carlyle kein Interesse mehr am Patientenüberwachungsgeschäft von Medtronic. In Deutschland schleppt sich der Verkauf von 20% an der Lufthansa Technik im Wert von 1,5 Mrd. Euro an Advent, Bain oder CVC lustlos dahin. Wer jetzt Geld für einen neuen Fonds einsammeln oder sogar den ersten starten will, hat es wirklich schwer. Viele institutionelle Investoren haben nach Rückgängen an den Aktienmärkten die gesetzlich oder selbst festgelegte Obergrenze für den Anteil von Private-Equity-Investments in ihrem Portfolio erreicht oder überschritten. Investoren, die 10% in der Anlageklasse anstrebten, finden sich bei fast 20% wieder. Außerdem gibt es aus Mangel an erfolgreichen Exits auch kaum noch Ausschüttungen der Finanzinvestoren an ihre Klienten. Das Volumen der ausgeschütteten Gelder hat sich im Vergleich zu 2022 nahezu halbiert. So wird auch das Fundraising immer mühsamer.
Nach Angaben des Datenanbieters Preqin konnten 2022 nur etwas mehr als 800 Private-Equity-Fonds geschlossen werden. Das ist der niedrigste Stand seit 2013. Zudem sank das bei Investoren eingeworbene Vermögen auf knapp über 400 Mrd. Dollar; ein Niveau, so niedrig wie zuletzt 2014. Die Anzahl der Monate, die ein Private-Equity-Fonds auf dem Markt ist, um Geld zu beschaffen, hat sich laut Preqin ebenfalls drastisch auf 21 Monate erhöht; 2019 lag die Zeitspanne noch bei 13 Monaten. Vor allem Erstmanager haben es schwer. Erstmalige Fonds, die 2022 geschlossen wurden, brauchten durchschnittlich 28 Monate, um ihr Ziel zu erreichen.
Apollo hat die Erwartungen an seine Fundraising-Bemühungen zurückgeschraubt. Der Finanzinvestor rechnet damit, dass die Zusagen für seinen 10. Flaggschiff-Buy-out-Fonds „im Bereich von 20 Mrd. Dollar“ liegen werden, was unter dem früheren Ziel des Buy-out-Riesen von 25 Mrd. Dollar liegt. BC Partners, eine der ältesten und bekanntesten Private-Equity-Firmen Europas, hat 2022 nach einer enttäuschenden Fundraising-Runde sogar die Führung erneuert. Das Unternehmen sammelte 6,9 Mrd. Euro (7,4 Mrd. Dollar) an zugesagtem Kapital für seinen 11. Flaggschiff-Fonds ein, was unter den ursprünglich angestrebten 8,5 Mrd. Euro liegt – selbst nachdem die Mittelbeschaffung um mehrere Monate verlängert wurde.
Finanzinvestoren haben sich abhängig gemacht vom billigen Geld der Notenbanken. Jetzt müssen sie ohne die Droge auskommen. Das wird hart.