LeitartikelFresenius Medical Care

Gesunde Herausforderung

Der Studienerfolg von Novo Nordisk mit einem Diabetesmittel fordert die Dialysekonzerne heraus, muss deren Geschäft aber nicht zwangsläufig schmälern.

Gesunde Herausforderung

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Gesunde Herausforderung

Von Sabine Wadewitz

Der Studienerfolg von Novo Nordisk fordert die Dialysekonzerne heraus, muss deren Geschäft aber nicht zwangsläufig schmälern.

Seit jeher ist der Dialysespezialist Fresenius Medical Care (FMC) mit der Frage konfrontiert, ob es irgendwann ein Medikament gegen Nierenversagen geben könnte oder das Unternehmen durch zunehmende Organtransplantationen oder gar Xenotransplantationen überflüssig werden könnte. Weltweit stetig steigende Patientenzahlen und ebenso stabile Prognosen für Dialysebehandlungen haben solche Bedenken bislang zerstreut. Chronische Nierenleiden haben zudem vielfältigste Ursachen, so dass es das eine Mittel zum Erhalt der Nierenfunktion kaum geben dürfte. Positive Studienergebnisse des dänischen Pharmakonzerns und Diabetesspezialisten Novo Nordisk stellen die Frage der Validität des FMC-Geschäftsmodells nun allerdings neu.

Ein entscheidender und bislang leider verlässlicher Treiber der Patientenzahlen in der Dialyse sind Zivilisationskrankheiten. An erster Stelle steht Diabetes Typ 2, auch Alterszucker genannt, der sich mit wachsendem Wohlstand und alternder Bevölkerung allen Fitness-Initiativen zum Trotz global rasant ausbreitet. Diese oft erst spät erkannte Volkskrankheit löst schwere Folgeerkrankungen aus, wozu neben Gefäßverengungen und Durchblutungsstörungen schwere Schädigungen der Niere gehören. Es gibt Studien, wonach ein Viertel aller chronischen Nierenerkrankungen durch Diabetes verursacht werden. Die Lebenserwartung der an Typ-2-Diabetes Erkrankten verkürzt sich generell signifikant. Dabei sterben viele Patienten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bevor die terminale Niereninsuffizienz eingetreten ist. Für den Patientenstrom der Dialyseanbieter ist es somit relevant, wie stark die Zahl der Diabeteserkrankten steigt und wie lange die Patienten trotz schwerer Beeinträchtigungen überleben.

Als Wunder-Diätmittel gefeiert

Eine gute Nachricht für alle Erkrankten aus diesem Kreis ist ohne Zweifel der Studienerfolg von Novo Nordisk. Der Konzern kann offensichtlich für seinen Wirkstoff Semaglutid in der Behandlung von Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung nachweisen, dass die Substanz die Nierenerkrankung verlangsamt und das Risiko mindert, an Nierenversagen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Semaglutid ist seit 2018 unter dem Handelsnamen Ozempic als Antidiabetikum zugelassen und seit Mitte 2021 in höherer Dosierung unter dem Handelsnamen Wegovy als Mittel zur Gewichtskontrolle im Markt. Vor allem als "Abnehmspritze" wird der Wirkstoff in der Öffentlichkeit – und im Jetset – als "Wundermittel" gefeiert und machte Novo Nordisk an der Börse zum wertvollsten Unternehmen in Europa. Ob es sich bei dem Appetitzügler wirklich um den disruptiven Heilsbringer für die Weltgesundheit handelt, vermag heute noch niemand vorherzusagen. Doch er stellt auf jeden Fall eine gesunde Herausforderung für viele Branchen dar – vom Kartoffelchip bis zum Cholesterinsenker.

Dass Diabetesmittel auch günstige Effekte auf die Nierentätigkeit von Zuckerkranken haben können, ist indes keine neue Erkenntnis. Das haben auch Studien für Wirkstoffe anderer Pharmakonzerne nachgewiesen, etwa für SGLT-2-Hemmer. Ob die Ergebnisse in den Tests von Novo Nordisk deutlich besser ausgefallen sind, lässt sich noch nicht beurteilen. Hier muss auf die abschließende Auswertung gewartet werden, die der Konzern in der ersten Hälfte 2024 vorlegen will. Dass die Bewertung der Dialyseanbieter wie FMC, Da Vita und Baxter am Kapitalmarkt schnell und heftig nach unten korrigiert wurde, zeugt von der hohen Verunsicherung bei Investoren, dürfte aber auch durch das Wundermittel-Attribut des Wirkstoffs befördert worden sein.

Gegenläufige Effekte

Inwieweit die Zahl der Dialysepatienten mit Einsatz des Medikaments langsamer wächst oder gar abnimmt, hängt von verschiedenen Szenarien ab. Das Mittel könnte dazu beitragen, dass sich der Gesundheitszustand von Zuckerkranken insgesamt verbessert. Damit würde die Gesamtmortalität sinken und Dialysepatienten hätten eine längere Lebenserwartung. Im günstigen Fall könnte die Arznei natürlich auch ein Nierenversagen verhindern. Fresenius Medical Care beurteilt den Gesamteffekt auf ihre Patientenzahl bislang als neutral, was auf dem derzeitigen Kenntnisstand schlüssig erscheint.

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