Giorgia Melonis Honeymoon ist vorbei
Italien
Giorgia Melonis Honeymoon ist vorbei
Meloni spielt ein gefährliches Spiel. Sie könnte es sich mit allen verscherzen: mit den Banken, Europa und den Investoren.
Von Gerhard Bläske
Die überraschende Ankündigung der italienischen Regierung, eine Sondersteuer auf „Übergewinne“ einführen zu wollen, traf Italiens Banken wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Aktienkurse der Institute brachen dramatisch ein. Erst nach hektischen Korrekturen beruhigte sich die Lage. Finanzwelt, Analysten, Investoren und Banken sind verschreckt.
Premierministerin Giorgia Meloni hat mit ihrer Entscheidung viel Kredit verspielt. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen, sinkender Wachstumsraten und der Schwierigkeiten, ihre Wahlversprechen zu erfüllen, weil dafür das Geld fehlt, wollte sie sich offenbar mit einem populistischen Befreiungsschlag Luft verschaffen. Denn wenn es gegen die Banken geht, die gerade Rekordzahlen für das erste Halbjahr vorgelegt haben, klatscht sogar die linke Opposition Beifall. In die gleiche Richtung weist der geplante Deckel für Flugpreistarife, gegen den die Fluggesellschaften Protest in Brüssel eingelegt haben und den die EU nun prüft.
Der Schuss Melonis kann nach hinten losgehen. Denn die Banken könnten wegen der Abgabe, die auf die Zinsüberschüsse erhoben wird, ihre Geschäftsmodelle umstellen – und weniger in Staatsanleihen investieren. Das wäre fatal, weil sie etwa ein Viertel der italienischen Staatsanleihen halten und die Europäische Zentralbank den Aufkauf italienischer Bonds eingestellt hat.
Hinzu kommt, dass es gerade in einer Phase, in der steigende Kreditausfallraten zu befürchten sind, starke Banken braucht. Die Kreditnachfrage ist bereits deutlich rückläufig. Die Banken dürften bei der Kreditvergabe vorsichtiger werden. Werden Finanzmärkte und Investoren verschreckt, geht außerdem das mühsam gewonnene Vertrauen in Italien verloren – mit unkalkulierbaren Folgen.
Das Land ist in den beiden vergangenen Jahren stärker gewachsen als die meisten anderen europäischen Länder – dank sehr großzügiger Boni etwa für die ökologische Sanierung von Gebäuden, negativer Zinsen und des europäischen Wiederaufbauprogramms. Doch im zweiten Quartal ist die Wirtschaft um 0,3% geschrumpft. Die schlechte wirtschaftliche Lage beim wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschland macht sich zunehmend bemerkbar. Die Kosten für die staatliche Schuldenaufnahme steigen. Allein 2023 muss Italien 80 Mrd. Euro für Zinszahlungen aufwenden. Gleichzeitig fallen die Steuereinnahmen wohl um 20 Mrd. Euro niedriger aus als erwartet.
Noch hat der Spread zwischen deutschen und italienischen Bonds, Gradmesser des Vertrauens, nicht reagiert. Doch ausländische Finanzkreise und einheimische Banken, die man besser im Vorfeld eingebunden hätte, sind beunruhigt ob der populistischen Wende Melonis. Deren Offenbarungseid kommt im September, wenn sie den Budgetentwurf für 2024 vorlegt. Wie sie die ersten Schritte zur Einführung einer Flat Tax und die Fortführung großzügiger Vorruhestandsregeln finanzieren will, steht in den Sternen, denn es gibt noch viele andere Ausgabenposten wie den Ukraine-Krieg oder die Flüchtlinge. Die Schulden in Höhe von 144% des Bruttoinlandsprodukts könnten weiter steigen.
Melonis Hoffnungen ruhen auf den 191,5 Mrd. Euro, die Italien aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm erhalten soll. Doch die Gelder können wegen der komplizierten Bürokratie und fehlenden Personals nicht ausgegeben werden. Dass die Regierungschefin kürzlich massiv gegen Brüssel und Frankfurt wetterte, ist unklug. Meloni verknüpft ihre Zustimmung zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit europäischen Zugeständnissen bei der Bankenunion und mehr Flexibilität beim künftigen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Doch bei der Umsetzung der mit den Mitteln des Aufbauprogramms verbundenen Reformen der Justiz, des Wettbewerbsrechts, des Arbeitsmarktes und der Verwaltung geht nichts voran. Und die geplante Quasi-Steueramnestie widerspricht der Verpflichtung, die Steuerflucht zu bekämpfen.
Meloni spielt ein gefährliches Spiel. Sie könnte es sich mit allen verscherzen: mit den Banken, Europa und den internationalen Investoren.