Frankfurt

Global Head of Schnipp­schnapp

Dass ein Hausmeister inzwischen Facility Manager heißt, ist nicht neu. Doch die Schönfärberei der Job-Titel kennt kaum noch Grenzen, inzwischen gibt es für alles einen Chief oder Head. Ein kleiner Überblick.

Global Head of Schnipp­schnapp

Na klar, es gibt wahrscheinlich nur wenige, die der Versuchung widerstehen können, sich etwas wichtiger zu machen, als sie sind. Ich zum Beispiel gebe gerne zu, dass ich be­reits bei meinen ersten beruflichen Tätigkeiten hochgestapelt habe. Auf meiner ersten eigenen Visitenkarte in Uni-Tagen stand „Research Associate“, obwohl eigentlich „Büttel des Professors“ die Sache besser getroffen hätte. Mein damaliger WG-Nachbar ließ sich derweil als „Rennfahrer“ im Telefonbuch eintragen (Anmerkung für die Leser unter 40: Telefonbücher hießen vor langer Zeit die dicken Wälzer gebundener, auf Butterbrotpapier gedruckter Na­menslisten der Menschen mit Festnetztelefon; Anmerkung für die Leser unter 30: Festnetztelefone waren früher einmal Handys, die man nicht mitnehmen konnte).

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Man kann heute trefflich darüber streiten, wer die ganze sprachliche Schönfärberei angefangen hat: die leitenden Angestellten oder die Unternehmen, bei denen sie beschäftigt waren. Jedenfalls gab es irgendwann keine Pestizidhersteller mehr, sondern nur noch Life-Science-Unternehmen. Und aus Hausmeistereien wurden Center of Competence for Facility Management. Die Posten, die es in diesen Häusern zu besetzen gab, mussten entsprechend großspurig umgetauft werden. Immer seltener begegnete man in den Teppichetagen von Unternehmen Sachbearbeitern, umso öfter jedoch einem „Head of Division“ oder auch – bei Firmen, deren Geschäftsgebiet über die Stadtgrenze hinausreichte, – einem „Global Head“. Der Berliner Kabarettist Wolfgang Gruner be­klagte bereits in den achtziger Jahren, dass es verstörend sei, wenn jede Klofrau mittlerweile sprachlich zur „Fäkalienreferentin“ geadelt werde.

Die verbale Verschleierung hat seit dieser Zeit eher noch zu- als abgenommen. Wer etwas auf sich hält, beschäftigt nicht nur CEO und CFO, sondern auch eine CKO (Chief Knowledge Officer), einen CVO (Chief Visionary Officer) oder eine CQO (Chief Quality Officer). Der hauseigene Blogger, der sich um die Bespielung der Social-Media-Kanäle kümmert, macht es häufig nicht mehr unter CLO (Chief Listening Officer) – klingt doch besser. Und wer ganz vorne mit dabei sein möchte, leistet sich gar einen CHO, also eine oder einen Chief Happiness Officer. Der oder die soll sich auf Führungsebene um das Wohlbefinden der Beschäftigten kümmern, von der Firmen-Kita bis zur Betriebssportgruppe.

Besondere Vorsicht bleibt geboten bei Berufsbezeichnungen, die alles und nichts sein können, – und deshalb regelmäßig verliehen werden, wenn nicht einmal die Kollegen eine Ahnung davon haben, was der Betreffende eigentlich den ganzen Tag so treibt. Eine Zeit lang war für diese Gruppe an Führungskräften die Bezeichnung „Vice President“ üblich. Heute verstecken sie sich unter – im wahrsten Sinne – unfassbaren Titeln wie „Global Head of Structured Analytics“. Hand aufs Herz, genauso gut könnten sie sich „Global Head of Schnippschnapp“ nennen.