LEITARTIKEL

Götterdämmerung

Die Granden der internationalen Automobilindustrie geben sich vom 5. März an in Genf schon wieder ein Stelldichein. Seit dem letzten großen Event der Branche in Detroit hat sich die Lage in Europa eher noch verschlechtert. An Gesprächsstoff also...

Götterdämmerung

Die Granden der internationalen Automobilindustrie geben sich vom 5. März an in Genf schon wieder ein Stelldichein. Seit dem letzten großen Event der Branche in Detroit hat sich die Lage in Europa eher noch verschlechtert. An Gesprächsstoff also herrscht am Lac Leman gewiss kein Mangel. Ob allerdings, wie manche meinen, die neue PS-Protzerei und das rückläufige Interesse an der teuren Elektromobilität die Diskussionen bestimmen werden, kann bezweifelt werden. Vor allem im überbesetzten Markt Westeuropa geht es für einige Konzerne ums Überleben. Ob für diese Krisenlage alle Beteiligten auch personell gut genug gerüstet sind, ist eine Frage, die man ungern offen stellt.Immerhin wird mit dem bisherigen VW-Manager und ehemaligen Vorstandschef von Continental, Karl-Thomas Neumann (51), für die General-Motors-Tochter Opel ein neuer Vorstandschef seinen ersten Auftritt haben. Ob gerade ihm die seit Jahren überfällige Ergebniswende bei der Marke mit dem Blitz gelingen kann, nachdem in den vergangenen Jahren ein Manager nach dem anderen in Rüsselsheim scheiterte, dürfte zu den spannenden Themen zählen. Denn von der Opel-Sanierung dürfte auch abhängen, ob bei GM selbst der Übergang an der Spitze vom 64-jährigen Finanzfachmann Dan Akerson zu einem mehr autoaffinen Manager gelingen kann. Hier wird immer wieder als heißester Kandidat Steve Girsky genannt, der bei Opel derzeit als Aufsichtsratschef fungiert und wohl hier sein Gesellenstück abliefern soll.Eher zaudernd gestaltet sich auch bei dem zweiten US-Konzern Ford die Nachfolge für den früheren Boeing-Manager Alan Mulally. Der schon 67-jährige Ford-Retter hat mit seiner “One-Ford-Strategie” den US-Konzern ohne Insolvenz durch die Krise geführt. Das Verlustloch Europa konnte aber auch er nicht stopfen. Immerhin verfügt Ford in Mark Fields über einen glaubwürdigen Kronprinzen, der Mulally dereinst beerben kann. Ende 2012 wurde Fields zum Chief Operating Officer befördert, was in Branchenkreisen als Ritterschlag gewertet wurde.Ob sich Philippe Varin beim verlustreichen französischen Konzern PSA Peugeot Citroën halten kann, wird zunehmend in Zweifel gezogen. Erst 2009 als Nachfolger des glücklosen Christian Streiff mit viel Rückendeckung der Eigentümerfamilie Peugeot ans Ruder gekommen, sind zuletzt die Zweifel an Varins Strategie gewachsen. Zwar dementierte Paris entschieden, zur Rettung von PSA als Aktionär einsteigen zu wollen, die Zusammenarbeit mit General Motors und Opel kann aber auch noch keine vorzeigbaren Ergebnisse abwerfen.Um den einstigen Branchenstar Carlos Ghosn ist es an der Spitze von Renault zwar vergleichsweise ruhig geworden. Aber der frühere Staatsbetrieb ist dank Nissan in Wachstumsmärkten wie China und den USA mit von der Partie und nimmt den Hoffnungsmarkt Russland über Avtovaz und mit der Billigmarke Dacia andere neue Märkte selbst in Angriff. Renault scheint, auch im Vergleich zur dem instabilen Konstrukt Fiat-Chrysler, wo CEO Sergio Marchionne (61) Geld für neue Modelle zurückhält, noch am ehesten die Europalastigkeit abstreifen zu können.Und es scheint, als ob für Renault die engere Zusammenarbeit mit Daimler auf längere Sicht Früchte trägt. Dabei muss sich Ghosn aber vor der Götterdämmerung in Stuttgart fürchten, denn der langjährige Vorstandschef Dieter Zetsche (59), den die Belegschaftsvertreter loswerden wollten, scheint ein Auslaufmodell zu sein. In der Managerriege der Marke mit dem Stern drängt sich allerdings auf Anhieb kein Name auf, der den Konzern machtvoll auf die Überholspur lenken könnte. Der Mangel an Alternativen könnte am Ende den in seiner Funktion geschwächten Zetsche in drei Jahren doch noch einmal in die Verlängerung gehen lassen.Gute Führungskräfte wachsen nicht auf Bäumen, und man kann sie bei Bedarf nicht einfach herunterschütteln. Gerade in schwerer See kommt es auf den Steuermann an. In Wolfsburg hat man eine aufkommende Nachfolgediskussion für den immerhin schon 65 Jahre alten Vorstandschef Martin Winterkorn einfach totgeschwiegen. Dem jetzt bei Opel antretenden Neumann soll gerade sein eher forderndes und offensives Agieren als vermeintlicher Kronprinz bei Volkswagen die Karriere vermasselt haben. Wartet man in Wolfsburg zu lange, könnten jüngere Führungskräfte versucht sein, sich anderswo zu verdingen. Wesentlich geordneter geht es da bei BMW zu. CEO Norbert Reithofer hat noch ein paar Jahre bis zum 60. – und mit Herbert Diess und Klaus Draeger laufen sich gleich zwei Eigengewächse warm.——–Von Peter Olsen ——-Bei einer Reihe von Autoherstellern ist die Nachfolge der amtierenden Chefs noch nicht geregelt. Gerade in der Krise ein heißes Thema.