Wenn das neue Nike-Modell nicht mehr so wichtig ist
Wenn das neue Nike-Modell nicht mehr so wichtig ist
Britische Verbraucher halten ihr Geld zusammen. Die steigenden Lebenshaltungskosten machen sich im Einkaufsverhalten bemerkbar.
Von Andreas Hippin, London
Als JD Sports am Monatsanfang mitteilte, dass ihr Gewinn im laufenden Geschäftsjahr um rund 100 Mill. Pfund unter dem noch Ende September ausgegebenen Ziel liegen wird, geriet die Aktie der britischen Turnschuhkette gehörig unter Druck. Das Management bemühte das ungewöhnlich milde Winterwetter, um das schlechte Abschneiden in der Hauptsaison des Einzelhandels zu erklären. Zudem habe es mehr Rabattaktionen gegeben als erwartet.
Must-haves werden verzichtbar
Das wiederum mag daran gelegen haben, dass die „Athleisure“-Branche die Preise so weit nach oben geschraubt hat, dass selbst Fans mittlerweile warten, bis das neueste Sneaker-Modell im Schlussverkauf zu haben ist. Das „Must-have“ von einst ist zum verzichtbaren Extra geworden. Dr Martens, die den Verkaufspreis des zur Modeikone avancierten Arbeitsschuhs ebenfalls in luftige Höhen trieb, kündigte Ende November einen schrumpfenden Umsatz für das Gesamtjahr an.
Next-Weihnachtsgeschäft glänzt
Doch am Markt wurde die Gewinnwarnung von JD Sports als Ausrutscher gewertet. Zumal die Modekette Next am selben Tag starke Zahlen zum Weihnachtsgeschäft vorlegte. Ihr Umsatz mit nicht rabattierten Produkten wuchs in den neun Wochen zum 30.12.2023 stärker als erwartet. Das Unternehmen übertraf ein weiteres Mal die eigenen Planzahlen. Zudem ließ die FTSE-100-Gesellschaft mit ihrem Gewinnziel für das Geschäftsjahr 2025 trotz steigender Kosten die Schätzungen von Aktienanalysten hinter sich. Wer genau hinhörte, bekam aber den Hinweis auf die Probleme im Schiffsverkehr im Roten Meer noch mit. Sollten sie sich fortsetzen, hieß es, sei Anfang des Jahres mit verzögerten Lieferungen zu rechnen.
Enttäuschende Verbandszahlen
Wenig später berichtete der Branchenverband BRC (British Retail Consortium) von einem enttäuschenden Weihnachtsgeschäft. Der Einzelhandelsumsatz sei im Dezember um gerade einmal 1,7% gewachsen. Im vorangegangenen Monat waren es noch 2,7% gewesen. Der 12-Monats-Durchschnitt liegt bei 3,6%. „Das Feiertagsgeschäft hat es nicht vermocht, ein schwieriges Jahr mit schleppendem Umsatzwachstum wieder gutzumachen“, sagte Verbandschefin Helen Dickinson. Sie machte das schwache Verbrauchervertrauen dafür verantwortlich, dass der vorweihnachtliche Schub für die Branche im vergangenen Jahr ausgeblieben ist.
Abwärtsdruck auf die Nachfrage
Die wirtschaftlichen Herausforderungen der vergangenen zwei Jahre seien trotz rückläufiger Inflation, der bevorstehenden Senkung der Sozialversicherungsbeiträge und des Umstands, dass manche mehr Geld in der Tasche gehabt hätten als ein Jahr zuvor, am Ende zum Tragen gekommen, sagte Paul Martin, Head of UK Retail bei KPMG. Die Verbraucher machten zu Anfang des neuen Jahres die Schotten dicht. In den ersten Monaten müsse sich der Handel auf erheblichen Abwärtsdruck bei der Nachfrage einstellen.
Selbst Discounter lahmen
Wie Daten des Kreditkartenanbieters Barclaycard zeigen, blieb das Ausgabenwachstum im Dezember erneut hinter der Teuerungsrate des Vormonats zurück. Hatte es im November noch bei 2,9% gelegen, waren es im Dezember nur noch 2,3%. Selbst der Discounter B&M musste eine Verlangsamung seines Umsatzwachstums wegstecken. Wie der britische Rivale von Aldi und Lidl am Dienstag mitteilte, stieg sein Erlös auf dem Heimatmarkt in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres um 6,3%. Für das erste Halbjahr, das am 23.9. endete, wies die Gesellschaft dort noch ein Wachstum von 11,4% aus.
Aldi beliebtester Supermarkt
Dabei waren die Discounter die großen Gewinner im Weihnachtsgeschäft. In den vier Wochen bis zum 24.12.2023 verbesserte sich der Umsatz von Aldi UK im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8%. Der Erlös stieg erstmals auf mehr als 1,5 Mrd. Pfund. Lidl UK zeigte gar ein Wachstum von 12%. Nachdem sich Lebensmittel in den vergangenen zwei Jahren im Vereinigten Königreich stark verteuert haben, sind viele Verbraucher von traditionellen Supermarktketten auf Discounter umgestiegen. Die Zeiten, in denen Einkäufer ihren Einkauf verschämt in Taschen noblerer Anbieter wie Waitrose (John Lewis) oder Marks & Spencer packten, bevor sie sich damit unter die Leute wagten, sind vorbei. In der jüngsten Yougov-Umfrage konnte Aldi UK die Position als beliebtester Supermarkt der Nation verteidigen. Ein Warenkorb von 43 Produkten des täglichen Bedarfs kostet dem Unternehmen zufolge bei den „Big 4“ der Branche im Schnitt 14% mehr.
Tesco profitiert
Außer Aldi und Lidl machten dem Marktforscher Kantar zufolge auch Sainsbury’s und Tesco in den zwölf Wochen zum 24.12.2023 Marktanteile gut. Für Waitrose, Co-op, Morrisons und Asda ging es dagegen bergab. Angeblich entfiel ein Drittel des insgesamt von den Verbrauchern ausgegebenen Geldes auf heruntergesetzte Ware. „Tesco hat geschafft, was Sainsbury’s nicht ganz hinbekommen hat: eine Erhöhung des Gewinnziels für das Gesamtjahr“, schrieb die Analystin Sophie Lund-Yates von Hargreaves Lansdown. Der Branchenprimus des britischen Einzelhandels rechnet nach einem Rekordweihnachtsgeschäft mit einem bereinigten Ergebnis von 2,75 Mrd. Pfund. Davor hatte das Management eine Spanne von 2,6 Mrd. bis 2,7 Mrd. Pfund genannt.
Preisbewusste Klientel
Der Umsatz war in den sechs Wochen um die Feiertage auf vergleichbarer Basis um 6,8% gestiegen. Analysten hatten dem Unternehmen im Schnitt lediglich ein Wachstum von 5,8% zugetraut. Lund-Yates zufolge birgt die preisbewusste Klientel auch Risiken. Es sei eine große Aufgabe, die richtigen Preise zu finden, um sie bei der Stange zu halten. Andererseits gebe es den Trend, dass Verbraucher, statt in ein Restaurant zu gehen, ein paar Pfund mehr für ein ganz besonderes Essen zu Hause ausgeben. Da könne Tesco sicher helfen.
Non-Food bremst Sainsbury’s
Sainsbury’s hatte im selben Zeitraum zwar starkes Wachstum mit Lebensmitteln (+8,6%) verzeichnet, doch die Non-Food-Sparte setzte weniger um als ein Jahr zuvor. Im High-End-Segment feierte Marks & Spencer mit einem vergleichbaren Umsatzwachstum von 9,9% bei Lebensmitteln ein rauschendes Comeback. Auch Non-Food legte zu.