LeitartikelWohnimmobilienpreise unter Druck

Das dicke Ende kommt noch

Die britischen Hauspreise werden sich dem Gesetz der Schwerkraft nicht lange entziehen können. Der private Konsum wird darunter leiden. Banken haben vorgesorgt.

Das dicke Ende kommt noch

Britischer Häusermarkt

Das dicke Ende kommt noch

Von Andreas Hippin

Die britischen Häuserpreise werden sich dem Gesetz der Schwerkraft nicht lange entziehen können. Banken haben vorgesorgt.

Der britische Wohnimmobilienmarkt hat sich trotz rasant steigender Zinsen in den vergangenen Monaten erstaunlich gut gehalten. Allerdings nur, wenn man die Preisentwicklung zum Maß aller Dinge erklärt. Einige Volkswirte hatten einen zweistelligen Einbruch erwartet. Doch Kaufinteressenten bekamen den jüngsten Daten der Hypothekenanbieter Halifax und Nationwide zufolge Eigenheime im Schnitt lediglich 3% billiger als ein Jahr zuvor. Das Immobilienportal Rightmove meldete für November zwar den stärksten Rückgang des durchschnittlichen Angebotspreises seit fünf Jahren. In Zahlen ausgedrückt handelte es sich allerdings um ein Minus von gerade einmal 1,7%.

Weniger Transaktionen

Verkaufswillige sind offenbar immer noch recht optimistisch. Unter Immobiliensachverständigen herrscht der RICS-Umfrage zufolge dagegen Pessimismus vor. Denn für die Beurteilung der Lage ist die Zahl der tatsächlich zustande gekommenen Transaktionen wichtiger als die Preise. Daten der Steuerbehörde HMRC zufolge waren es im September fast ein Fünftel weniger als ein Jahr zuvor. Die 14 Zinserhöhungen in Folge, mit denen die Bank of England die Inflation in den Griff bekommen wollte, zeigen Wirkung. Das Vereinigte Königreich wird sich trotz einiger Sondereffekte wie des vielerorts viel zu geringen Angebots und der starken Zuwanderung dem Gesetz der Schwerkraft nicht entziehen können, das in anderen Teilen Europas bereits wirkt. Wohnimmobilien sind in Großbritannien eine gut 8 Bill. Pfund schwere Assetklasse, die erhebliche Risiken für den wirtschaftlichen Ausblick birgt.

Zeitverzögerte Wirkung

Zu den steigenden Zinskosten, die sich in steigenden Monatsraten niederschlagen, wenn Hausbesitzer ihre Hypotheken refinanzieren müssen, und die von Vermietern nach Möglichkeit an ihre Mieter weitergereicht werden, lassen sich noch vergleichsweise einfach Schätzungen abgeben. Aber mittlerweile leben mehr Briten in schuldenfreien Eigenheimen als in Immobilien, die noch abbezahlt werden müssen. Das sorgt dafür, dass es länger dauert, bis sich steigende Zinsen auf den Konsum auswirken, als in früheren Zeiten.

Negativer Wohlstandseffekt

Noch schwieriger ist es, die Folgen des negativen Wohlstandseffekts zu beziffern, der sich aus sinkenden Immobilienpreisen ergibt. Schwer zu sagen, wie sich der niedrigere Wert des Hauses auf das Ausgabeverhalten eines Haushalts auswirkt. Klar ist allerdings, dass es um eine Menge Geld geht. Panmure Gordon hält einen Vermögensverlust von real 1,5 Bill. Pfund für möglich. Bei der Investmentboutique geht man trotz der vergleichsweise robusten Entwicklung im laufenden Jahr davon aus, dass die Hauspreise bis Ende 2025 im Vergleich zu den im dritten Quartal des vergangenen Jahres erreichten Höchstwerten real um 30% sinken werden. Das dicke Ende kommt noch. So sehen das auch andere.

Millennials im Nachteil

Sollten die Immobilienpreise tatsächlich einbrechen, wird das die Bankbilanzen weniger belasten als die Gesamtwirtschaft. Die Institute haben ihre Vergaberichtlinien für Hypotheken in den vergangenen Jahren so verschärft, dass mit einer Wiederholung der Finanzkrise von 2008 nicht zu rechnen ist. Im September vergaben sie so wenig Wohnimmobilienkredite wie zuletzt im Januar. Die Anforderungen an die Kreditnehmer sind so hoch, dass ein Eigenheim für viele Millennials unerschwinglich geworden ist – nicht nur wegen des mitzubringenden Eigenkapitals. Wer derzeit noch eine Hypothek bekommt, muss noch weitaus höhere Zinsen verkraften können. Die zahllosen anderen reihen sich in die „Generation Rent“ ein. Für Makler ist die Vermittlung von Mietern und das Management von Mietwohnungen angesichts der sinkenden Zahl von Verkaufsabschlüssen zu einem attraktiven Markt geworden. Die börsennotierte Foxtons hat gerade Ludlow Thompson übernommen, um sich in diesem Geschäft zu verstärken.

Privater Konsum leidet

Die Verlierer der Entwicklung am Häusermarkt sind diejenigen, die in den kommenden Monaten neben gestiegenen Energiekosten auch noch höhere Monatsraten für ihre Hypothek oder heftige Mieterhöhungen verkraften müssen. Selbst schuldenfreie Hausbesitzer dürften sich einschränken. Das verheißt nichts Gutes für Einzelhandel, Gastgewerbe und verbrauchernahe Dienstleistungen.

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