Größe ist Trumpf
Seit mittlerweile zwei Jahren dreht sich das Fusions- und Übernahmekarussell in der Containerlinienschifffahrt. Wann die dritte Konsolidierungswelle binnen zweier Jahrzehnte enden wird, ist offen. In Kürze will der deutsche Branchenführer Hapag-Lloyd mit dem Erwerb von UASC aus Dubai seine Zugehörigkeit zu den fünf führenden Reedereien untermauern. 2017 soll der Kauf der Oetker-Reederei Hamburg Süd durch den dänischen Weltmarktführer Mærsk unter Dach und Fach kommen. In Japan wird aus einer Ménage-à-trois von Nippon Yusen, Mitsui O.S.K. und Kawasaki Kisen der zweitgrößte Carrier Asiens entstehen hinter der ebenfalls gerade erst aus einem Zusammenschluss hervorgegangenen China Cosco Shipping. Der Start ist für Frühjahr 2018 angesagt.Hohe Verluste setzen die teilweise hoch verschuldeten Reedereien weltweit unter Druck. Wie sehr, hat im Spätsommer dieses Jahres die Insolvenz der südkoreanischen Hanjin, bis dato die Nummer 7, gezeigt. Das Angebot an Containerstellplätzen und Schiffsladeraum wächst seit Jahren schneller als die Nachfrage. Zwar haben die Schiffsneubestellungen zuletzt abgenommen. Und auch die Verschrottungen alter Schiffe sind gestiegen. Erstmals seit zwei Jahren legten die Frachtraten im dritten Quartal, der sogenannten “Peak Season”, im Vergleich zum Vorquartal zu. Ob damit der historische Tiefpunkt bei den Transportpreisen im Frühjahr der Wendepunkt war?Mit dem Ausfall von Hanjin haben sich die Einnahmen kurzfristig stabilisiert. Das Problem der Überkapazitäten besteht aber weiterhin, und zwar in allen Fahrtgebieten. Es drängen nach wie vor neue, große Schiffe in den Markt. Makroökomisch zeichnen sich kaum Impulse für deutliche Nachfragesteigerungen ab. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist skeptisch bei der Beurteilung der Wachstumsaussichten, vor allem in den Industriestaaten. Das für die Nachfrage nach Containertransporten wichtige Welthandelsvolumen dürfte 2016 um 2,3 % zunehmen, so die Einschätzung in diesem Herbst. Im Juli hatte der IWF noch mit einem Anstieg um 2,7 % gerechnet.Um sich aus dem Dilemma des Angebotsüberhangs zu befreien, müsste die Branche die Neubestellungen stärker als bislang reduzieren sowie deutlich mehr Schiffe zumindest zeitweise aus dem Verkehr ziehen oder verschrotten. Nicht zuletzt die Eröffnung des erweiterten Panamakanals mit Schleusen für die Großschiffe der sogenannten Postpanamax-Klasse hat den Druck in diesem Jahr noch einmal erhöht. Zu solchen Maßnahmen fanden sich in der Vergangenheit allerdings nie genügend Marktteilnehmer bereit. Eine Anhebung der Frachtraten auf breiterer Front scheiterte trotz Klagen über den ruinösen Preiskampf wiederholt an irrationalem Verhalten und mangelnder Vernunft.An die laufende Branchenkonsolidierung, die andere Beteiligte der Logistikkette wie die Verlader laut kritisieren, knüpfen sich aus Sicht der Schifffahrtsgesellschaften gute Absichten. Als ein Motiv für die in diesem Jahr verkündeten Transaktionen führen etwa die Reedereien Mærsk und Hapag-Lloyd die Aussicht auf sinkende oder nicht notwendige Investitionen in neue Schiffe während der kommenden Jahre an. Das könnte zu einer besseren Balance von Angebot und Nachfrage beitragen. Zudem besteht die Hoffnung, dass sich nach dem Ausscheiden eines halben Dutzends der 20 führenden Reedereien in den vergangenen 24 Monaten im Rahmen von Vertragsneuverhandlungen mit Kunden bessere und vor allem stabilere Preise erreichen lassen. Und auch die sich gerade neu formierenden Schifffahrtsallianzen spielen bei den Bemühungen, in die schwarzen Zahlen zu kommen, eine wichtige Rolle.An der Ausrichtung der Unternehmen hat sich Ende 2016 nichts geändert: Größe ist nach wie vor Trumpf. Hapag-Lloyd-Großaktionär Klaus-Michael Kühne sprach in diesem Jahr von einem Ratenkrieg, den nur die Reedereien überleben könnten, die groß genug sind und über entsprechende Skaleneffekte verfügen. Der hohe Kapitalbedarf im Kerngeschäft sowie strapazierte Bilanzen werden den Handlungsspielraum vieler Gesellschaften auch 2017 einengen. Die Frage, wie die Reedereien dauerhaft in die Gewinnzone fahren können, löst die Konsolidierung jedoch nicht – oder nicht allein. Übernahmen und Zusammenschlüsse verschaffen den Unternehmen Entlastung, die sie für die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle nutzen sollten. Auch wenn die Zuversicht in den vergangenen Wochen gestiegen ist, scheint die Warnung angebracht zu sein: Auf das Ende des Frachtratenproblems zu setzen, könnte sich ein weiteres Mal als vorschnell erweisen.——–Von Carsten SteevensDie Containerreedereien suchen ihr Heil in Übernahmen und Fusionen. Der ruinöse Preiskampf sollte sie auch dazu veranlassen, Geschäftsmodelle zu hinterfragen.——-