Größer als Alibaba
Bill McDermott ist gerade vier Monate als alleiniger Chef von SAP im Amt, da legt der Walldorfer Softwarekonzern ein Angebot über mehr als 8 Mrd. Dollar für den US-Konzern Concur auf den Tisch. Die Mitte September unterbreitete Offerte wäre die größte Übernahme in der bald 43-jährigen Geschichte des Dax-Konzerns. Gemessen an den gängigen Kennzahlen wäre es wohl auch die teuerste, obwohl sich SAP mit der Akquisition von Success Factors bereits 2012 in der Liste der großzügigsten Übernahmen in der Branche weit nach vorne geschoben hat. Seither kamen mit Ariba, Hybris, Fieldglass und Seewhy vier weitere Spezialisten für das Geschäft in der sogenannten Cloud hinzu. Mit Concur würde die Rechnung für die Einkaufstour in diesem Zukunftsmarkt auf bald 20 Mrd. Dollar steigen.Die Investoren sind vom ersten Deal unter der Regie von McDermott als Solo-CEO und dem seit Sommer amtierenden Finanzvorstand Luka Mucic wenig begeistert. Analysten mosern über den Kaufpreis und rechnen nach Abschluss der Transaktion mit einer weiteren Verschiebung der Profitabilitätsziele, die SAP zuletzt zu Jahresbeginn bis 2017 verschoben hat. Zusätzliches Wachstum in der Cloud, so lautet die Daumenregel in der Softwareindustrie, kostet zumindest kurzfristig Marge, weil das Angebot von Mietsoftware über das Internet in den ersten Jahren deutlich hinter der Profitabilität des Verkaufs von Softwarelizenzen zurückbleibt. Concur macht wie die meisten anderen Anbieter von Software aus der Cloud derzeit denn auch keinen Gewinn.Zusätzliches Angebot aus der Cloud schränkt aber auch die Wachstumsmöglichkeiten in dem angestammten Geschäft mit Softwarepaketen und den damit verbundenen Serviceverträgen ein. Wer Software zur Unterstützung von Unternehmensprozessen über das Internet mietet, kann Lizenzen für Software zurückgeben, die bisher für den gleichen Zweck verwendet werden, oder wird beim Einkauf neuer Softwarepakete im Lizenzmodell den Bedarf neu berechnen. Das kostet in der kurzen Frist Wachstum, weil die Erlöse im sogenannten Subskriptionsmodell der Cloud gleichmäßig über die Vertragslaufzeit verteilt sind, während die Rechnungen für Softwarelizenzen gleich zu Beginn beglichen werden.Über die mittlere und lange Frist sieht die Sache anders aus, versichern Manager von IT-Unternehmen allerorten, während sie ihr Geschäft immer schneller in die Cloud verschieben. Es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig, denn die Firmenkunden wollen Software, Hardware und Entwicklungsplattformen für eigene Apps bedarfsgerecht mieten und als Aufwand buchen, statt Infrastruktur und Lizenzen zu kaufen, die in ihrer Bilanz stehen. Sie lagern ganze Teile ihrer IT in die Rechnerwolke aus und behalten nur noch kritische Daten und die über ihre Wettbewerbsposition entscheidenden IT-Prozesse innerhalb der eigenen Firewall. Und auch das wird nur ein Zwischenschritt sein, bis die Erkenntnis um sich greift, dass spezialisierte Anbieter in der Cloud ein höheres Maß an IT-Sicherheit bieten könnten als das eigene Rechenzentrum.Auch SAP hat darum keine andere Wahl, als den zunächst zögerlich begonnenen Wechsel in die Cloud über Zukäufe zu beschleunigen. Reine Anbieter von Mietsoftware legen regelmäßig Wachstumsraten von mehr als 30 % hin. Dass der Marktführer in diesem Geschäft, Salesforce, zuletzt davon schwadronierte, SAP bald als führenden Anbieter von Firmensoftware abzulösen, ist keine leere Drohung, auch wenn das US-Unternehmen derzeit auf 5 Mrd. Dollar Umsatz kommt und SAP in diesem Jahr mehr als 17 Mrd. Euro anstrebt.Concur freilich könnte für SAP mehr sein als bloß ein weiterer, tiefer Griff ins Portemonnaie, mit dem der Konzern sich Wachstum in der Cloud einkauft. Denn der Spezialist für die Abrechnung von Reisespesen hat – ähnlich wie Ariba und Fieldglass – noch eine andere Geschichte zu erzählen. Alle drei kommen als eine Art Transaktionsplattform daher, auf der schon heute ein größeres Volumen abgewickelt wird als bei den Onlinehändlern Amazon, Ebay und Alibaba zusammen. Der passionierte Netzwerker McDermott spinnt in der Cloud neue Fäden zu bestehenden und potenziellen Kunden und hofft, sich damit von den Wettbewerbern abzuheben. Ob Concur nur teuer oder richtig teuer ist, spielt dabei keine große Rolle. Entscheidend wird sein, ob SAP die fünfte Milliardenübernahme in drei Jahren stemmen kann, ohne sich in der Vielfalt verschiedener Unternehmenskulturen und Technologien zu verheddern.——–Von Stefan ParaviciniSAP nimmt die fünfte Milliardenübernahme in drei Jahren in Angriff und baut eine Plattform aus, die ein größeres Transaktionsvolumen als Alibaba abwickelt.——-