KommentarTransformation der Wirtschaft

Grüne Mangelwirtschaft

Bei ihrem Klimaplan hat die EU zwar klare Ziele gesetzt. Wie der Zieleinlauf indes erreicht werden soll, weiß niemand so genau.

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Mangelwirtschaft

Von Lisa Schmelzer

Bei ihrem Klimaplan hat die EU zwar klare Ziele gesetzt. Wie der Zieleinlauf indes erreicht werden soll, weiß niemand so genau.

Würden wir alles in der Welt vorhandene nachhaltige Flugbenzin aufkaufen, würde das bei uns für zwei Wochen reichen.“ Dieser Satz einer Lufthansa-Managerin sagt viel über den Stand der grünen Transformation nicht nur in der Luftfahrtbranche. Denn es besteht eben nicht nur Mangel an nachhaltigem Kerosin, sondern an vielen anderen Instrumenten, die bei der Umstellung der Wirtschaft auf mehr Umweltverträglichkeit eingesetzt werden müssen, seien es erneuerbare Energien, Wasserstoff oder ganz lapidar Ladestationen für E-Autos.

Groß ist die Lücke, die zwischen der Vision einer klimaneutralen Wirtschaft und der praktischen Umsetzung klafft. Um das mit einem weiteren Beispiel aus der Airline-Branche zu belegen: Seit dem 1. Januar gilt laut EU-Klimaplan eine Beimischungsquote für nachhaltiges Flugbenzin von 2%, die schrittweise steigen soll. Laut Lufthansa sind derzeit aber nur rund 0,1% des weltweit benötigten Treibstoffs nichtfossilen Ursprungs, sodass es allein schon innerhalb der EU knapp werden wird.

Nachhaltiges Flugbenzin mag nun innerhalb der Transformation der gesamten Wirtschaft eher nebensächlich sein. Ganz anders sieht es bei grünem Wasserstoff aus. Mit erneuerbaren Energien per Elektrolyse erzeugter Wasserstoff gilt als Kerninstrument für den Klimaschutz in der Grundstoffindustrie wie Chemie oder Stahl. Doch auch hier herrscht Flaute: Von der 2030 angestrebten Elektrolyseleistung von 10 Gigawatt in Deutschland ist derzeit erst rund 1% installiert, stellte jetzt das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung fest.

Bei ihrem Klimaplan hat die EU zwar klare Ziele gesetzt, wohin die Reise bei der grünen Transformation gehen soll. Wie der Zieleinlauf erreicht werden soll, weiß aber niemand so genau. Der Aufbau erneuerbarer Energien wird zwar gefördert, aber genug Strom für die grüne Transformation dürfte dennoch nicht vorhanden sein. Ein Verteilungswettkampf scheint vorprogrammiert.

Es muss also darum gehen, Energie möglichst effizient zu nutzen, Prioritäten zu setzen und Anreize für die Herstellung zu schaffen. Ein Beispiel: Wer E-Fuels für Verbrennermotoren angesichts der grünen Mangelwirtschaft für das passende Instrument hält, irrt. Denn die Produktion ist extrem stromintensiv – mit der gleichen Menge Strom kann ein Elektroauto etwa viermal weiter fahren als ein mit E-Fuels betankter Verbrenner.

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