LeitartikelAmpel-Koalition

Hämmern und Klopfen

Bei ihrer Kabinettsklausur in Meseberg hat die Ampel nach den monatelangen Streitereien versucht, neue Einigkeit und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Es fehlt aber weiter an klarer Führung.

Hämmern und Klopfen

Ampel-Koalition

Hämmern und Klopfen

Die Ampel hat in Meseberg versucht, neue Einigkeit und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Es fehlt aber weiter an klarer Führung.

Von Andreas Heitker

Bei der Kabinettsklausur war in dieser Woche keine große Regierungskunst gefragt. Für die Ampel ging es vielmehr darum, den Weg zurück zu einer soliden Handwerksarbeit zu finden. Schloss Meseberg als Werkshalle. Dementsprechend fiel auch die Wortwahl nach dem Treffen aus: „Wir sind eine Regierung, wo gehämmert und geschraubt wird“, sagte Finanzminister Christian Lindner. Das führe nun mal zu „Geräuschen“. Und Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einem „Hämmern und Klopfen", dem man nun einen „Schalldämpfer“ aufsetzen wolle. Und beide suggerierten als Entschuldigung für das schwache öffentliche Entscheidungsbild der Koalition, dass schließlich – frei nach den Worten Helmut Kohls – entscheidend sei, was hinten rauskomme.

Doch so einfach ist das alles nicht. Dazu hat die Ampel mit ihren ständigen Streitereien seit Jahresbeginn einfach schon zu viel Porzellan zerschlagen. Die AfD setzt in den Umfragen zu immer neuen Höhenflügen an. Studien zeigen, dass das Vertrauen der Deutschen in die Demokratie in nur wenigen Monaten rasant abgenommen hat. Und in der Wirtschaft wächst immer stärker Unruhe und Unzufriedenheit. Dass die Koalition an dieser Entwicklung zumindest eine Mitschuld trägt, dürfte wohl keiner der Verantwortlichen ernsthaft bestreiten. Es zählt nicht nur ein mögliches Ergebnis, sondern auch der Weg dorthin und die Art, wie die Menschen auf diesem Weg mitgenommen werden.

Es ist der Bundesregierung zugutezuhalten, dass in den vergangenen drei Wochen ein ganzes Bündel an neuen Gesetzen auf den Weg gebracht wurde, welche die Transformation und Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wirklich voranbringen – im Bereich der Energie- und Wärmewende, im Kapitalmarkt, in der Justiz oder mit einer lang überfälligen Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Auch bei der Klausur in Meseberg wurden jetzt weitere wichtige Schritte gegangen. Mit dem zwischenzeitlich blockierten Wirtschaftschancengesetz wurden milliardenschwere Entlastungen der Unternehmen endlich angeschoben, der Bürokratieabbau erhält eine neue Aufmerksamkeit, und mit der neuen Datenstrategie wird ebenfalls ein wichtiges Versprechen der Koalition eingelöst.

Das Treffen im brandenburgischen Schloss wollten SPD, Grüne und FDP mit Macht dazu nutzen, neue Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren und wieder ein wenig Optimismus zu verbreiten. Dass dieses nur zum Teil gelang, lag nicht nur daran, dass sich an den grundsätzlichen strukturellen Problemen dieses Dreierbündnisses nichts geändert hat, sondern vor allem daran, dass entscheidende Themen einfach ausgespart wurden. Beispiel Energiepreise: Dass es beim Thema Industriestrompreis in der Ampel kaum eine Basis für Einigungen gibt, ist bekannt. Aber es ist auch klar, dass es hier um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geht und Unternehmen auch kurzfristig entlastet werden müssen. Dafür könnte man sich die Stromsteuer anschauen oder noch einmal eine Verlängerung eines Spitzenausgleichs für energieintensive Industrien überlegen. Nur auf mögliche Preiseffekte durch mehr Solar- oder Windstrom im nächsten Jahrzehnt zu verweisen, reicht einfach nicht aus. Das in dieser Woche veröffentlichte „Energiewende-Barometer“ der DIHK hat die Sorgen der Unternehmen bezüglich ihrer Strompreis-Belastungen mehr als deutlich gemacht.

Alle drei Ampel-Parteien wissen eigentlich, dass sie in der jetzt anbrechenden zweiten Hälfte der Legislatur zur effektiveren und geräuschloseren Zusammenarbeit verdammt sind. Alle drei stehen in der Gunst der Wähler schwächer da als noch vor zwei Jahren. Die bisherige Antwort auf diese Talfahrt war in den letzten Monaten oft, dass sich die Parteien stärker auf eigene Partialinteressen konzentriert und damit versucht haben, sich auf Kosten der Partner zu profilieren. Jeder hämmert, schraubt und klopft sich halt die Koalition, wie sie ihm gefällt. Soll dies künftig anders werden, braucht es einen starken politischen Willen im Kabinett, kompromissbereite Fraktionen im Bundestag und vor allem eine klare Führung. Eine solche ist aber auch nach der zweitägigen Klausur auf Schloss Meseberg nicht wirklich absehbar.

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